Frankreichs Rückzug aus Afrika schreitet in hohem Tempo voran: Aus Mali und Niger sind französische Antiterroreinheiten längst ausgeflogen. In Tschad kündigt die Regierung die militärische Kooperation mit Paris auf. Senegal signalisiert, dass es Frankreichs Soldaten ebenfalls loswerden möchte.
Zum militärischen Exodus Tausender Truppen kommt jetzt ein wirtschaftlicher Rückschlag hinzu: Der französische Konzern Orano hat in der vergangenen Woche erklärt, dass er die operative Kontrolle über den Uranabbau in Niger verloren hat. Damit zeichnet sich das Ende eines Milliardengeschäfts ab, mit dem sich Frankreich jahrzehntelang eine sichere Zufuhr von Uran für seine Kraftwerke und seine Atomwirtschaft sicherte.
Paris zufolge ist das Vorgehen der Putschisten in Niger illegal
Frankreichs postkoloniale Verflechtungen mit dem afrikanischen Kontinent, sie verlieren zunehmend an Festigkeit oder gehen ganz zu Bruch. Françafrique, wie das System genannt wird, scheint auf dem besten Weg in die Geschichtsbücher zu sein. Und das nahende Ende des französischen Urangeschäfts in Niger ist eine wichtige ökonomische Facette dieser Entwicklung.
Die Militärjunta in Niger wirkt jedenfalls fest entschlossen, die frühere Kolonialmacht Frankreich aus dem Abbau von Uran ganz hinauszudrängen. Und es gilt vorerst als unwahrscheinlich, dass sich die feindselige Haltung der Putschisten gegenüber Paris schon bald wieder ändert. Frankreich muss sich also, mehr noch als bisher, nach anderen Quellen für das fehlende Uran umsehen müssen.
Ist das nun das Ende für die Franzosen im afrikanischen Niger? Vier Jahrzehnte lang waren die Uranminen in der ehemaligen Kolonie ein zentraler Bestandteil der Françafrique, ein Nachlass, mit dem die Franzosen ihre zivile Nuklearindustrie in Schwung bringen konnten.
Frankreich zählt heute 18 Atomkraftwerke mit 56 Reaktoren und ist stolz darauf. Früher kam das notwendige Uran zu einem schönen Teil aus drei Minen in Niger, von denen zuletzt nur noch eine in Betrieb war, die in Imouraren, etwa achtzig Kilometer südlich von Arlit – eine der größten der Welt. Zwei Drittel der Firma, die das Uran dort gewinnt, gehören dem französischen Staatskonzern Orano, der früher Areva hieß. Paris beteuert darum, dass die Verdrängung von der Minenarbeit illegal sei, man werde sie anfechten.
Macrons Gegner neigen dazu, die Lage zu dramatisieren
Doch ob das etwas bringt? Die Junta in Niger arbeitet darauf hin, russische Firmen für die Uranförderung im eigenen Land zu gewinnen. Russisches Militär ist bereits vielerorts in die Lücken gestoßen, die der französische Abzug in der gesamten Sahelregion geschaffen hat.
Seit dem Putsch in Niger debattieren französische Politiker und Experten darüber, ob Frankreich vom Uran aus Niger abhängig sei. Die Meinungen gehen auseinander: Die Gegner von Präsident Emmanuel Macron neigen dazu, die Lage zu dramatisieren; das Regierungslager beschwichtigt. Offenbar besitzt Frankreich, das seit Anfang der Nullerjahre kein eigenes Uran mehr abbaut, eine stattliche Reserve: Für zehn Jahre, berichtet Le Figaro, sollte sie ausreichen für den Betrieb seiner Kraftwerke.
Und Frankreich hat seine Importe in jüngerer Vergangenheit schon stark diversifiziert. 2022 betrug der Anteil des importierten Natururans aus Niger noch rund 20 Prozent des französischen Gesamtbedarfs, der bei etwa 8000 Tonnen im Jahr liegt. Am meisten, nämlich 37 Prozent, bezieht das französische Energieunternehmen EDF, Betreiber des Netzes, aus Kasachstan. Wichtige Lieferanten sind auch Namibia, Australien und Usbekistan.
Frankreich importiert Uran auch aus Russland
Die Investigativplattform Mediapart berichtete im Frühjahr, dass die Franzosen auch Uran aus Russland einführten – in angereicherter Form. Ungeachtet des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gehen diese Importe weiter. 2022 kaufte Frankreich 312 Tonnen angereichertes Uran in Russland, für 358 Millionen Euro. Rechtlich geht das in Ordnung: Gegen den Uranhandel mit Russland hat der Westen keine Sanktionen verhängt. Doch politisch und moralisch ist die Praxis fragwürdig: Macron gehört zu den wortgewaltigsten Verteidigern der Ukraine. Beim angereicherten Uran ist Russland gar die wichtigste Bezugsquelle der Franzosen.
Die Uranförderung in Niger ist schon seit Langem umstritten. Kritiker erhoben immer wieder Vorwürfe, Frankreich bekomme sein Uran dort besonders billig, der Deal galt vielen als Zeichen, wie stark und dominierend Frankreichs Einfluss über seine früheren Kolonialgebiete noch immer war.
Außerdem gibt es Streit über die gesundheitlichen Folgen des Uranabbaus für die Bevölkerung, die Abraumhalden sind radioaktiv, eine nigrische Dokumentation verwies schon 2016 auf eine Häufung bei Erkrankungen von Neugeborenen, mutmaßlich eine Folge des Uranabbaus.
Wenn Frankreich sein Urangeschäft in Niger nun verliert, so wird dies auch geostrategische Folgen haben, weil andere Kräfte in die Lücke stoßen wollen. Am afrikanischen Uran ist auch Iran interessiert, Verhandlungen darüber mit der Junta soll es bereits gegeben haben, mit westlichen Interessen sind solche neuen Geschäftsverbindungen nach Teheran kaum vereinbar.