Süddeutsche Zeitung

Terrorismus:Messerattacke gegen Polizistin erschüttert Frankreich

Bei einem Angriff auf ein Polizeirevier stirbt eine Beamtin - die Ermittler vermuten beim Täter ein islamistisches Motiv. Sofort nutzt die Rechtsextreme Marine Le Pen den Mord für Vorwürfe an die Regierung.

Von Leo Klimm, Paris

Frankreich wird erneut von einem mutmaßlich terroristischen Attentat erschüttert. In der Stadt Rambouillet, etwa 60 Kilometer südwestlich von Paris, ist am Freitag eine Polizistin von einem Angreifer mit einem Messer getötet worden. Der Mann lauerte der 49-jährigen Beamtin am Eingang eines Polizeireviers auf und verletzte sie so schwer am Hals, dass sie schnell verstarb. Kollegen der Polizistin, die herbeieilten, töteten dann wiederum den Angreifer durch mehrere Schüsse.

Der mutmaßliche Täter soll bei seiner Messerattacke "Allahu Akbar" gerufen haben - Arabisch für "Gott ist groß". Das meldeten französische Medien unter Berufung auf Polizeikreise. Schon kurz nach dem Angriff zog Frankreichs Anti-Terrorstaatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich. Sowohl die Identität des Opfers als auch die Ausführung der Tat mit einem Messer lasse auf ein terroristisches Motiv schließen, sagte Staatsanwalt Jean-François Ricard.

Seit Jahren erlebt Frankreich eine Welle islamistisch motivierter Anschläge. Dabei wird das Département Yvelines, in dem die beschauliche Kleinstadt Rambouillet liegt, regelmäßig heimgesucht. Auch die Attacke auf den Lehrer Samuel Paty im vergangenen Herbst, bei der dem Opfer mit einem Messer die Kehle durchgetrennt wurde, ereignete sich in dieser Gegend westlich von Paris. Ebenfalls in dieser Region wurde 2016 ein Polizisten-Paar von einem mutmaßlichen Islamisten überfallen und getötet.

Hoch emotional - und hoch politisch

Der Kampf gegen den Terrorismus ist emotional stark aufgeladen - und damit auch politisch. Noch ehe sich der Staatsanwalt am Freitag geäußert hatte, meldete sich etwa die Rechtsextreme Marine Le Pen zu Wort, die in einem Jahr Emmanuel Macron im Amt des Präsidenten ablösen will. "Es sind die immer gleichen Täterprofile dieser Barbarei, die immer gleichen islamistischen Motive. Wir können nicht mehr", schrieb Le Pen bei Twitter.

Frankreichs Premierminister Jean Castex begab sich sofort nach dem Angriff nach Rambouillet. "Wir bekämpfen den Terrorismus mit ungebrochener Entschiedenheit", sagte Castex und antwortete damit auf Le Pens unterschwelligen Vorwurf, die Regierung versage im Kampf gegen den Islamismus. Ähnlich wie Castex äußerte sich Macron. Auf Twitter beschwor der Staatschef, der am Freitag auf einem Rückflug aus Afrika war, Frankreich werde dem Terrorismus nicht nachgeben.

Bei dem mutmaßlichen Attentäter handelt es sich um einen 37 Jahre alten Tunesier, wie aus Ermittlungskreisen durchsickerte. Er lebte seit 2009 zunächst ohne gültige Papiere in Frankreich; seit 2019 war er in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Den Sicherheitsbehörden war er bis zu seinem Angriff am Freitag nie aufgefallen. Ersten Erkenntnissen zufolge lauerte er seinem Opfer auf, als die Polizistin kurz ihren Arbeitsplatz verließ. Die Mutter zweier Kinder im Alter von 13 und 18 Jahren wollte die Parkscheibe an ihrem Auto neu einstellen.

Am Abend nahmen Ermittler drei Menschen aus dem Umfeld des mutmaßlichen Attentäters fest.

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