Frankreich:Style und herrsche

Gerhard Schröder ließ sich die Echtheit seiner Haarfarbe gerichtlich bestätigen, Mubarak wurde im Knast von seinem Leibfriseur bedient. Und Hollandes Friseur bezieht ein Ministergehalt. Wofür?

Von Sonja Zekri

Als der ägyptische Präsident Hosni Mubarak nach seiner Entmachtung 2011 in Haft saß und aus dem Badeort Scharm el-Scheich bedrückt das Schicksal seines geliebten Ägyptens verfolgte, äußerte er einen Geburtstagswunsch: Einmal, ein einziges Mal noch wolle er sich von seinem Friseur die Haare machen lassen. Und Mahmud Labib flog ein, er schnitt, legte, vor allem aber: Er färbte. So fasste Mubarak, der schwermütige Ex-Autokrat, neuen Lebensmut.

Schon immer gehen im Nahen Osten die politische Versteinerung und der haartechnische Aufwand Hand in Hand. Die jungen Herrscher in Kairo, Tripolis, Bagdad traten meist an mit großen Versprechungen und sogar Reformeifer. Aber je älter Mubarak, Gaddafi oder Saddam Hussein wurden, desto brutaler wurde ihr politischer Stil, desto schlagender die Diskrepanz zwischen jugendschwarz gefärbten Haaren und zerklüfteten Greisengesichtern. Allein der Blick ins saudische Königshaus legt einen zwingenden Zusammenhang zwischen der Unfreiheit der Untertanen und der Koloration der gekrönten Häupter nahe.

Haare sind Attribute der Macht. Und schwarze Haare sind Attribute junger Macht, sie versprechen Gesundheit, Tatkraft, lange Lebenszeit. Der intakte, regierungsfähige Körper des Herrschers ist die Voraussetzung für Stabilität und Wohlstand des Volkes. Verfall, Siechtum und politischer Aufruhr deuten sich dagegen in den Haarspitzen an - man erinnere sich an die spätsowjetischen Greise, kurz bevor das Imperium fiel. Gerhard Schröder zog als Bundeskanzler sogar vor Gericht, um öffentliche Zweifel an seiner naturjugendlichen Haarfarbe verbieten zu lassen.

Insofern ist natürlich nicht einzusehen, warum eine vierstellige Friseurrechnung für Frankreichs Präsident François Hollande etwas anderes sein sollte als ein Beitrag zur Prosperität seines Landes, warum die 9895 Euro monatlich für die Dienste des Meistercoiffeurs Olivier Benhamou nicht aus der Staatskasse bezahlt werden sollten. Die Wochenzeitung Le Canard enchaîné hatte über diesen Umstand berichtet, der Regierungssprecher hat sie etwas verkniffen bestätigt.

Und warum denn auch nicht! Verglichen mit seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy hat Hollande die Kosten im Élysée in fünf Jahren um insgesamt 19 Millionen Euro gesenkt. Nur, knapp 10 000 Euro sind fast ein Ministergehalt, und Hollande ist Sozialist. Doch für Benhamou ist der Spitzenjob auch hartes Brot. Seinem exklusiven Kunden steht er so früh und so lange zur Verfügung, dass er sogar die Geburt seiner Kinder verpasste, wie seine Anwältin nun mitteilen ließ. Manchmal müsse er den Präsidenten sogar mehrmals täglich frisieren, was aber nur natürlich ist, wo die politische Großwetterlage eher stürmisch ist und jedes unvorteilhafte Foto in Sekundenbruchteilen um die Welt geht. Leibwächter - dieses Wort bekommt hier eine völlig neue Bedeutung. Hollande bekam nun sogar Beistand von einer ehemaligen Lebensgefährtin. Ihr Ex habe keine Ahnung von der Höhe der Friseurrechnung gehabt und sei außer sich gewesen, als er davon erfahren habe, twitterte Valerie Trierweiler. Ob das stimmt oder nicht, die Causa bleibt - haarsträubend.

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