Frankreich:Späte Kampfrede

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Im Zentrum der Aufmerksamkeit: Präsident Macron und sein Ex-Leibwächter Alexandre Benalla (rechts). (Foto: Reuters)

Präsident Macron übernimmt Verantwortung in der Affäre um seinen prügelnden Leibwächter Benalla - allerdings erst Monate nach dem Vorfall.

Von Nadia Pantel, Paris

Nach fünftägigem Schweigen hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu der Affäre um seinen ehemaligen Sicherheitsmann Alexandre Benalla geäußert. Am Dienstagabend nahm er die Verantwortung auf sich. "Der Verantwortliche, der einzige Verantwortliche, das bin ich und ich allein", sagte Macron. Es gehe in den kommenden Monaten darum, Konsequenzen zu ziehen, erklärte nun Regierungssprecher Benjamin Griveaux. Nach Medieninformationen wurde Benallas bisheriges Büro im Élyséepalast von Ermittlern durchsucht. Zuvor hatte Macron den Gegenangriff eingeleitet. "Wenn sie einen Verantwortlichen wollen, dann sollen sie mich holen kommen", sagte er vor Abgeordneten seiner Partei La République en Marche (LRM). Ob "sie" nun die Medien, die Opposition, die Staatsanwaltschaft oder einen wütenden Mob meinte, blieb offen.

Eigentlich waren die Abgeordneten von LRM am Dienstag zusammengekommen, um den Beginn der Sommerpause und das erste Jahr der Präsidentschaft Macrons zu feiern. Doch das politische Paris ist gerade kein Ort für entspannte Feste oder Pausen. Seit vergangene Woche aufgedeckt wurde, dass sich Macrons enger Mitarbeiter Benalla als Polizist ausgegeben und am Rande einer Demonstration am 1. Mai einen Mann und eine Frau gewaltsam angegriffen hat, ist eine Staatsaffäre beträchtlichen Ausmaßes daraus geworden. Für Empörung sorgt dabei vor allem die Reaktion des Élysée-Palasts. Obwohl Macron und sein Stabschef seit dem 2. Mai von dem Vorfall wussten, wurde Benalla erst entlassen, als der Fall öffentlich wurde. Zuvor hatte der Élysée weder die Ermittlungsbehörden verständigt, noch umfassende Aufklärung veranlasst.

Wer sich nun detaillierte Antworten von Macron auf das Wie und Warum der Laxheit erhofft hatte, wurde enttäuscht. Der Präsident stellte klar: "Keiner meiner Mitarbeiter oder in meinem Kabinett wurde jemals geschützt oder stand über den Gesetzen der Republik." Von Benalla fühle er sich "verraten". Es ist zumindest irritierend, dass Macron sich erst dann verraten fühlt, wenn die Medien über den Fall berichten.

Die Minister und die LRM-Abgeordneten zeigten sich nach der Rede ihres Chefs beruhigt bis begeistert. So gut wie jeder, der ein Mikrofon vorgehalten bekam, wiederholte Macrons zentralen Satz: "Der einzige Verantwortliche bin ich und ich allein." Innenminister Gérard Collomb sagte: "Der Präsident hat gesagt: Ich bin der Chef." Collomb war am Montag vor einem Untersuchungsausschuss zu dem Fall befragt worden und hatte jede Verantwortung von sich gewiesen. Er dürfte sich bestätigt sehen. Die Staatssekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter, Marlène Schiappa, zeigte sich in einem Interview auf BFMTV beeindruckt von Macrons Worten: "Es ist mutig, dass er sich so in die erste Reihe stellt und alle Verantwortung auf sich nimmt. Darin zeigt sich, dass er ein großer Staatschef ist."

Opposition, Medien und die Mehrheit der Bevölkerung sind weniger begeistert. Das Meinungsforschungsinstitut Elabe veröffentlichte am Dienstag eine Umfrage, der zufolge 73 Prozent der Befragten angeben, die Affäre Benalla habe ihr Bild von Macron negativ beeinflusst. Unter den Macron-Wählern geben 71 Prozent an, sie seien "schockiert". In seiner Rede hat Macron Frankreichs Medien angegriffen, die ausführlich über die Affäre berichten: "Wir haben eine Presse, die nicht mehr die Wahrheit sucht." Auch bei einem Besuch in den Pyrenäen sagte er, es seien in den vergangenen Tagen "viele Dummheiten gesagt worden". Er appellierte an Medienvertreter an Ort und Stelle: "Hören Sie auf, sich so über diese Affäre zu erregen." Es gehört zum Narrativ von Präsident, Regierung und LRM, dass sich der Durchschnittsfranzose nicht weiter für den Fall interessiert.

In der Nationalversammlung waren am Dienstag kaum noch Debatten möglich. Nach jedem Redebeitrag von Premierminister Édouard Philippe standen die LRM-Abgeordneten applaudierend in den Reihen, zugleich wurde er von den Buhrufen der Opposition übertönt. Als der Chef der Sozialisten, Olivier Faure, die Regierung der Lüge bezichtigte, kam es zu einem eher seltenen Moment in der parlamentarischen Routine: Die rechte Marine Le Pen, der linke Jean-Luc Mélenchon und die Fraktion der Republikaner klatschten gemeinsam.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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