Frankreich:Selbstbewusst mit Kopftuch

Ein Stück Stoff wird wieder zum Politikum.

Von Nadia Pantel

Zu den Anlässen, die in Frankreich zum Streit übers muslimische Kopftuch führen, gehören Familienpicknicks am Strand ohne Bikini. 2016 ordnete Nizzas Bürgermeister Freizügigkeit für Badende an. Dieses Frühjahr verhinderten wütende Franzosen, dass der Sportartikelhersteller Decathlon ein Stretch-Kopftuch ins Sortiment aufnahm. Die radikalen Aktivitäten, die dadurch unterbunden wurden: Frauen spielen Fußball oder gehen joggen.

Die neueste Variante des Streits: Dürfen Mütter, die ihr Haar bedecken, ihre Kinder auf Schulausflüge begleiten? Frankreichs Bildungsminister findet: lieber nicht. Denn das Stück Stoff symbolisiere die Unterdrückung der Frau und die Abkehr von den Werten der Republik. Die aktuelle Debatte entbrannte, als eine verschleierte Frau mit der Grundschulklasse ihres Sohnes das Regionalparlament in Dijon besuchte, damit das Kind demokratische Institutionen versteht.

Entlarvend ist, wie egal das Kopftuch ist, wenn es Frauen tragen, die Büros putzen oder als Kindermädchen auf den Pariser Nachwuchs aufpassen. Im Niedriglohnsektor darf jeder tragen, was er will. Zum Politikum wird das Kopftuch erst, wenn die Frauen, die es tragen, das wollen, was sie angeblich gar nicht können: sich selbstbewusst als Teil der Gesellschaft zeigen.

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