Frankreich:Trägt Nicolas Sarkozy bald Fußfessel?

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Andere Altpräsidenten legen Kränze nieder, Nicolas Sarkozy (hier im Dezember 2022) kämpft gegen die Justiz. (Foto: Stephane Mahe /Reuters)

Ein Berufungsgericht hat die Verurteilung von Frankreichs früherem Präsidenten wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme bestätigt. Die Akte Sarkozy ist damit aber noch lange nicht geschlossen.

Von Kathrin Müller-Lancé, Paris

Wenn Altpräsident Nicolas Sarkozy in den vergangenen Jahren in den französischen Medien auftauchte, hatte das selten mit seriöser Politik und oft mit Ärger mit der Justiz zu tun. Man kann leicht durcheinanderkommen bei all den Verfahren, die gegen Sarkozy anhängig waren und noch sind. Allein drei Affären gibt es, die mit dem Buchstaben B anfangen: die Bettencourt-Affäre, die Bygmalion-Affäre, die Bismuth-Affäre.

Wegen letzterer, auch als Abhöraffäre bekannt, hatte Sarkozy im vergangenen Jahr noch ein zweites Mal in einem Berufungsverfahren vor Gericht gestanden. An diesem Mittwoch bestätigten die Richterinnen und Richter die Entscheidung aus der ersten Instanz. Damals war Sarkozy wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme zu drei Jahren Haft, davon zwei auf Bewährung, verurteilt worden. Die von Sarkozy begangenen Taten wögen umso schwerer, weil sie ein ehemaliger Präsident begangen habe, sagte die Vorsitzende Richterin bei der Begründung des Urteils.

Die Entscheidung ist eine Premiere in Frankreich. Noch nie musste seit Bestehen der Fünften Republik ein Staatspräsident eine Haftstrafe ohne Bewährung absitzen. Ins Gefängnis muss Sarkozy trotzdem nicht. Wie das Gericht am Mittwoch erklärte, kann er seine Haft mit elektronischer Überwachung zu Hause verbringen. Ob es so weit kommt, ist noch offen. Wenige Minuten nach dem Urteil kündigte Sarkozys Anwältin an, dass er in Revision gehen wolle.

Als nächstes droht Ärger in der sogenannten Libyen-Affäre

Bis zum Ende des Verfahrens hatte Sarkozy seine Unschuld beteuert. "Ich werde mich nicht für etwas entschuldigen, was ich nicht getan habe", sagte er am letzten Verhandlungstag im Dezember 2022. Er werde kämpfen bis zum Schluss, nicht weil er stark oder intelligent, sondern weil er unschuldig sei. Als das Urteil am Mittwoch im Pariser Justizpalast verkündet wurde, saß Sarkozy in der ersten Reihe. Braungebrannt wie immer. Als er den Saal verließ, äußerte er sich nicht.

Grundlage für das Verfahren waren abgehörte Telefonate zwischen Nicolas Sarkozy und seinem ehemaligen Anwalt Thierry Herzog. Darin gab sich Sarkozy den Decknamen Paul Bismuth. Zusammen mit seinem Anwalt soll er dem damaligen Generalanwalt Gilbert Azibert Unterstützung für einen Posten in Monaco in Aussicht gestellt haben - unter der Bedingung, dass er Einblicke in das Verfahren um wiederum eine andere Affäre gebe, in die Sarkozy damals verwickelt war. Ihm wurde vorgeworfen, die demenzkranke L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt zu Parteispenden überredet zu haben. Das Verfahren wurde allerdings 2013 eingestellt.

Mit der Entscheidung am Mittwoch wird die Akte Sarkozy noch längst nicht geschlossen. Erst in der vergangenen Woche gab die französische Finanzstaatsanwaltschaft bekannt, dass sie in der sogenannten Libyen-Affäre Anklage erhoben hat. Dabei wird Sarkozy vorgeworfen, seinen Wahlkampf 2007 illegal mit Geld aus Libyen finanziert zu haben. Von "Veruntreuung öffentlicher Gelder", "Bestechlichkeit", "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" und "illegaler Wahlkampffinanzierung" ist in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft die Rede. Schon seit Jahren ermittelt die französische Justiz in der Sache. Ob es tatsächlich zu einem Prozess kommt, muss nun das Untersuchungsgericht entscheiden.

Von 2007 bis 2012 war Nicolas Sarkozy, heute 68, französischer Staatspräsident. Seinen Ruf als "Monsieur Bling Bling" hat er sich hart erarbeitet. Als Sarkozy 2012 erneut zur Präsidentschaftswahl antrat, war seine Kampagne doppelt so teuer wie das gesetzlich festgelegte Maximalbudget. Sarkozy verlor die Wahl damals trotzdem, Präsident wurde der Sozialist François Hollande. Der französische Verfassungsrat verdonnerte Sarkozys Partei später dazu, elf Millionen Euro zurückzuerstatten.

Sarkozys Unterstützer sind weniger und leiser geworden

Auch wegen dieser opulenten Kampagne stand Sarkozy bereits vor Gericht, genau genommen wegen deren unsauberer Finanzierung. 2021 sprach ihn das Strafgericht schuldig und verurteilte ihn zu einem Jahr Haft. Auch dagegen legte Sarkozy Berufung ein; im Herbst soll das Verfahren neu aufgerollt werden.

Während andere Altpräsidenten Kränze niederlegen und Ehrenreden halten, kämpft Sarkozy unermüdlich mit der Justiz. Seine Haare sind inzwischen grauer geworden, seine Auftritte in den Medien seltener. Als Sarkozy vor zwei Jahren zum ersten Mal wegen der Abhöraffäre vor Gericht stand, verteidigte ihn Innenminister Gérald Darmanin noch als "ehrlichen Mann", seine Parteifreunde warfen der Justiz Verleumdung und eine politische Kampagne vor. Inzwischen sind seine Unterstützer weniger und leiser geworden. Ein politisches Comeback - über das die Medien in den vergangenen Jahren immer wieder spekulierten - scheint nach dem Urteil in dieser Woche unwahrscheinlich.

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Trotzdem bleibt Nicolas Sarkozy einflussreich. Der aktuelle Präsident Emmanuel Macron lädt ihn immer wieder in den Élysée-Palast ein, um seine Meinung zu hören, zuletzt Anfang des Jahres. Viele von Sarkozys politischen Zöglingen, zum Beispiel Innenminister Darmanin, besetzen noch immer wichtige Posten.

Seit Sarkozys Rücktritt vom Parteivorsitz vor sieben Jahren haben es die konservativen Republikaner nicht mehr geschafft, eine starke Führungsfigur zu etablieren. In einer Umfrage vor einigen Wochen traute immerhin knapp ein Drittel der Französinnen und Franzosen Sarkozy zu, dass er bei der Präsidentschaftswahl 2027 das rechte Lager vereinen könnte.

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