Frankreich: Sarkozy und sein Skandalminister:"Ich hätte Lust, einige zu erwürgen"

Der Ton wird rauer: Der Generalsekretär der Sarkozy-Partei wirft einigen Medien "faschistische Methoden" vor und der beschuldigte Arbeitsminister Woerth attackiert seine Kritiker. Dennoch wird über einen Befreiungsschlag des Präsidenten spekuliert.

T. Dorfer und M. Kolb

Der Auftritt in Le Raincy muss Balsam auf die Seele von Eric Woerth gewesen sein. In der 14.000-Seelen-Gemeinde, nordöstlich von Paris, zählt sein Wort noch. Hier wird der in die Kritik geratene französische Arbeitsminister nach wie vor verehrt.

French Labour Minister Woerth attends a Panel discussion on the topic of pensions in Le Raincy

Ein Abend unter Freunden: Arbeitsminister Eric Woerth musste auf einer Parteiveranstaltung in Raincy keine kritischen Fragen beantworten. Er steht im Mittelpunkt der Bettencourt-Affäre, die auch Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy belastet.

(Foto: rtr)

Die Basis klatscht, feiert den 54-Jährigen mit Standing Ovations und "Eric, Eric"-Rufen. Ursprünglich soll auf dieser Informationsveranstaltung der Regierungspartei UMP die Rentenreform diskutiert werden - das eigentliche Ziel ist jedoch, ein Signal der Stärke aus Raincy auszusenden: Woerth lässt sich von den Vorwürfen der Bettencourt-Affäre nicht unterkriegen. Es passt dazu, dass die Fragen, die an diesem Abend gestellt werden, vorab ausgewählt wurden.

Die vehement vorgetragenen Vorwürfe gleiten an dem Arbeitsminister ab wie Wasser an einer Teflonpfanne. Stattdessen keilt er zurück. Spricht von einer "unerträglichen Situation", von "blankem Hass", der ihm entgegenschlage und von einem "politischen Intrigenspiel".

Noch deutlicher ist der umstrittene Minister offenbar vor UMP-Abgeordneten geworden. Er versuche, Ruhe zu bewahren - obwohl er durchaus Lust hätte, einige "zu erwürgen". Dass er damit seine zahlreichen Kritiker meinen dürfte, ist unstrittig. Nun geistert das Zitat durch die französische Presselandschaft. "Verliert Woerth die Nerven?", fragt Le Progrès aus Lyon.

In Raincy genießt Woerth noch die Unterstützung der Parteibasis. Le Monde zitiert eine Anhängerin namens Régine mit den Worten: "Er muss unbedingt im Amt bleiben, er darf nicht fallengelassen werden." Und eine Dame namens Annie klagt über "sozialistische Manipulationen".

Nach dem Treffen in Raincy legte Xavier Bertrand, der Generalsekretär der UMP, nach: Woerth habe keinen einzigen Fehler gemacht. Bertrand klagte über "faschistische Methoden", die "gewisse Medien" verwenden würden.

Verheerendes Presseecho

Das Presseecho ist auf alle Fälle verheerend. Die Zeitung L'Est Républicain aus Nancy konstatiert "Panik regiert an der Staatsspitze". Der Tages-Anzeiger aus Zürich ist ähnlich kritisch wie die Süddeutsche Zeitung, wenn es dort heißt: "Seine Glaubwürdigkeit ist aufgebraucht. Und plötzlich dämmert der Sarkozysmus." Und Le Figaro stellt eine neue Entwicklung fest: "Aber ebenfalls zum ersten Mal ist ihm auch klar, dass er die Zielscheibe ist."

Seit Anfang dieser Woche hat die Affäre um L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt auch den französischen Staatschef erreicht. Er habe für seinen Präsidentschaftswahlkampf 2007 eine illegale Spende von 150.000 Euro in bar von der Milliardärin erhalten, sagte der Anwalt von Bettencourts ehemaliger Buchhalterin. Bislang stand vor allem Arbeitsminister Woerth unter Beschuss, dessen Frau für die Vermögensverwaltung der Milliardärin arbeitete, die unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung steht.

Da Woerth bis März als Haushaltsminister für die Verfolgung von Steuersündern zuständig war, wirft ihm die Opposition einen Interessenkonflikt vor. Nun steht auch der Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung im Raum. Woerth, der gleichzeitig Schatzmeister der UMP ist, soll 2007 Geld für Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf entgegengenommen haben, wie die ehemalige Buchhalterin Claire T. der Nachrichtenwebsite Mediapart sagte.

Schwierige Lage für Sarkozy

Zu einem Eklat war es am gestrigen Dienstag in der Nationalversammlung gekommen, als Haushaltminister François Baroin der Opposition vorwarf, in dem Fall ohne Beweise Vorwürfe zu erheben und "das Spiel der extremen Rechten zu spielen". Praktisch geschlossen verließen die Sozialisten darauf das Plenum. Die Grünen sehen "den schlimmsten politischen Skandal seit langem" heraufziehen.

Sarkozy nahm angeblich Schwarzgeld von Bettencourt

"Präsident Bling Bling" hat Probleme: Nicolas Sarkozy.

(Foto: dpa)

Die Neue Zürcher Zeitung bringt die schwierige Situation für Nicolas Sarkozy auf den Punkt: "Dass der Präsident den mit der Rentenreform betrauten Arbeitsminister Woerth nicht mehr entlassen kann, ohne selbst politischen Schaden davonzutragen, ist offensichtlich; Rücktritt wäre ja laut Woerth ein Eingeständnis von Schuld. Dass Sarkozy aber im Gegenzug bis Ende seiner Amtszeit 2012 mit einer schweren Hypothek belastet bleibt, falls er an seinem Minister festhält, ist ebenso klar."

Spott von den Sozialisten

Entsprechend selbstbewusst treten die oppositionellen Sozialisten auf: Parteichefin Martine Aubry sagte, in der derzeitigen "schwerwiegenden moralischen Krise" müsse Sarkozy endlich "die Wahrheit" sagen. Die frühere sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal warf Sarkozy vor, ein "korruptes System" errichtet zu haben. Dies habe dazu geführt, "dass an der Macht Menschen sind, die sich bedienen anstatt den Franzosen zu dienen".

François Hollande, einst selbst Chef der Sozialisten, konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass in Frankreich immer noch die Unschuldsvermutung zu beachten sei. Mit juristischen Abklärungen lässt sich diese Affäre tatsächlich noch monatelang auskosten, analysiert die NZZ.

In Frankreich beträgt die Höchstsumme für eine Spende von Privatpersonen an eine politische Partei 7500 Euro pro Jahr, für einen Kandidaten im Wahlkampf 4600 Euro. Als Präsident genießt Nicolas Sarkozy während seiner Amtszeit Immunität, weshalb er wie sein Vorgänger Jacques Chirac erst nach Ablauf der Amtsperiode vorgeladen werden könnte.

Spekulation über Kabinettsumbildung

Allerdings wird in Frankreich bereits darüber spekuliert, ob Sarkozy nicht in der kommenden Woche seine Regierung umbildet - direkt vor dem Nationalfeiertag am 14. Juli.

Nach Informationen des regierungsnahen Blatts Le Figaro wird der Staatschef hingegen erst am Vorabend des Nationalfeiertags bei einer Erklärung zur Rentenreform im Kabinett Stellung nehmen. Für die Zeit nach der Sommerpause plant Sarkozy die Bildung einer neuen Regierung, mit der er in den Wahlkampf 2012 ziehen will.

Die Grünen haben sich bereits festgelegt: Sollten die Vorwürfe sich als wahr erweisen, sei es mit einer Regierungsumbildung nicht mehr getan, erklärte die Partei. Dann sei "eine Präsidentenumbildung" nötig.

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