Süddeutsche Zeitung

Präsidentschaftswahl:Frankreich steht vor Duell zwischen Macron und Le Pen

Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich liegt der Amtsinhaber laut ersten Prognosen vorn. In der Stichwahl trifft er auf die rechtsextreme Politikerin. Für Europa ist der Ausgang bedeutend.

Von Christian Wernicke

Amtsinhaber Emmanuel Macron hat die erste Runde im Kampf um den Élysée-Palast offenbar deutlicher als erwartet gewonnen. Der französische Präsident lag am frühen Montagmorgen nach Auszählung von 97 Prozent aller Stimmen bei 27,6 Prozent vor seiner rechtsextremen Rivalin Marine Le Pen, die auf 23,4 Prozent kam. Der linksradikale Jean-Luc Mélenchon schied als Drittplatzierter aus, obwohl er mit fast 22 Prozent mehr Stimmen als erwartet gewann.

Zum historischen Desaster wurde die Wahl für die etablierte Rechte und Linke Frankreichs, die das Land bis 2017 jahrzehntelang regiert hatten: Die Spitzenkandidatin Valérie Pecresse der gaullistisch-konservativen "Les Républicains" (LR) sowie die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die Bewerberin der Sozialisten, landeten abgeschlagen bei weniger als fünf beziehungsweise nicht einmal zwei Prozent der Stimmen.

Die endgültige Entscheidung treffen die Franzosen am 24. April

Die erste Runde der Präsidentschaftswahl war nur eine Vorentscheidung über die fundamentale Ausrichtung Frankreichs. Die Entscheidung über den künftigen Kurs des Landes fällt am 24. April, wenn die Stichwahl zwischen Macron und Le Pen ansteht. Macron muss die niedrige Wahlbeteiligung am Sonntag besorgen: Gut ein Viertel aller Wähler verweigerte die Stimmabgabe.

2017 hatte Macron das Duell gegen Le Pen noch klar mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewonnen. Diesmal prophezeien Umfragen dem Präsidenten bisher einen nur knappen Sieg über Le Pen.

Entscheidend für den Präsidenten wird nun sein, vor allem Wähler der Linken sowie Anhänger der eher bürgerlichen Republikaner für sich zu mobilisieren. Am Abend riefen die Spitzenkandidatinnen von Republikanern und Sozialisten ihre Anhänger auf, für Macron zu votieren. Auch der Grüne Yannick Jadot, der am Sonntag auf knapp fünf Prozent kam, forderte zur Stimmabgabe für den Amtsinhaber auf. Mélenchon hingegen rief seine Bewegung der "Unbeugsamen" nur dazu auf, "Madame Le Pen keine einzige Stimme" zu geben. Er ließ zugleich offen, ob seine Anhänger sich bei der Stichwahl enthalten oder für Macron stimmen sollten.

Le Pen profitierte davon, das der rechtsextreme Publizist Éric Zemmour als Kandidat noch weitaus radikalere Thesen verbreitet und etwa gegen Geflüchtete und Juden polemisiert hatte. So erschien die 53-Jährige vielen als "gemäßigter" als noch 2017. Éric Zemmour kam am Sonntag auf sieben Prozent. Er appellierte an seine Anhänger, sich bei der Stichwahl für Le Pen zu entscheiden. Kandidaten kleinerer rechtsextremer Splittergruppen äußerten sich ähnlich.

Beide Kandidaten versuchten noch am Abend, um Stimmen anderer Parteien zu werben. Macron wandte sich an Anhänger der ausgeschiedenen Kandidaten, auch an die von Zemour: Alle sollten sich hinter ihm "versammeln". Le Pen nannte den Stichentscheid eine fundamentale Wahl über "die Gesellschaft, ja der Zivilisation."

Macron hatte vor der Wahl angekündigt, seine bisherige Politik im Wesentlichen fortzusetzen. Der 44-jährige Sozialliberale hat sich in seiner ersten Amtszeit wiederholt für eine Vertiefung der Europäischen Union eingesetzt und eine Liberalisierung der französischen Wirtschaft vorangetrieben. Trotz Anfechtungen von rechts und links blieb er im Wahlkampf bei seiner Ankündigung, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre zu erhöhen.

Le Pen plant, die militärische Integration Frankreichs in der Nato zu beenden

Le Pen hingegen ist europaskeptisch, wiederholte aber zuletzt nicht mehr ihren früheren Plan, per Referendum Frankreich aus der Währungsunion zu führen. Sie propagiert einen harten Kurs gegen Immigranten und will etliche Sozialleistungen auf Franzosen beschränken.

Bis zum Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar hatte Le Pen deutliche Sympathien für Moskaus Präsidenten Wladimir Putin geäußert. Die gemeinsame Verteidigungspolitik in der EU will sie ebenso beschränken wie Rüstungsprojekte mit Deutschland, die militärische Integration Frankreichs in der Nato will sie beenden. In Brüssel und Berlin befürchten Beobachter, eine Wahl Le Pens werde Europa "in eine tiefere Krise stürzen als der Brexit".

Le Pen hatte ihren Kampagne auf den Verlust der Kaufkraft vieler Franzosen mit geringen Einkommen fokussiert. Auch in Frankreich waren seit Beginn des Krieges in der Ukraine die Preise für Lebensmittel und Benzin deutlich gestiegen.

Macron betrachten viele seiner Landsleute eher als Zögling der Pariser Eliten. Zu Stärkung der Kaufkraft hat Macron für den Fall seiner Wiederwahl jedem Beschäftigten eine Prämie von bis zu 6000 Euro versprochen. Zuvor hatte die Regierung bereits die Preise für Strom und Gas gedeckelt. Kritiker werfen dem amtierenden Präsidenten vor, er habe die neue Herausforderung von Le Pen zu lange unterschätzt.

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