Frankreich:Präsident ohne Partei

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Marcon muss zusehen, wie die Grünen zunehmend Einfluss gewinnen. (Foto: REUTERS)

Die Senatswahlen zeigen: Die Bewegung En Marche von Emmanuel Macron ist im ländlichen Frankreich immer noch nicht angekommen.

Von Nadia Pantel, Paris

Wenn ein Wahlergebnis von allen politischen Kommentatoren das Prädikat "stabil" erhält, könnte man annehmen, dies sei eine gute Neuigkeit für den amtierenden Präsidenten. Mit Blick auf die französische Senatswahl und auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron ist das Gegenteil der Fall: Ein stabiler Senat bedeutet einen schwachen Macron. Alle drei Jahre wird in einer indirekten Wahl durch Regional- und Kommunalpolitiker die Zusammensetzung des Senats erneuert und über die Hälfte der 348 Sitze abgestimmt. Am späten Sonntagabend belegten die Ergebnisse: Der Senat bleibt in Hand der Republikaner, die Politiker der Konservativen stellen mit 142 Senatoren die größte Gruppe. Macrons Partei La République en Marche (LREM) hingegen kommt auf nur 20 Sitze. Die proportional größten Zugewinne verzeichnen die Grünen. Für Europe Écologie -Les-Verts (EELV) ziehen sechs neue Senatoren ins Oberhaus, die Ökologiepartei kann dort wieder eine eigene Gruppe bilden, was ihr seit 2017 nicht mehr möglich war.

Das Ergebnis der Senatswahl spiegelt somit die drei Grundtendenzen der französischen Politik wieder, die in diesem Jahr schon bei den Kommunalwahlen zu erkennen waren. Erstens: Die Republikaner bleiben die dominierende Kraft im ländlichen Frankreich. Zweitens: Die Grünen gewinnen zunehmend an Wählern und Einfluss. Bei der Kommunalwahl gingen entscheidende Städte wie Lyon, Bordeaux und Straßburg an sie. Der Erfolg der Grünen hat vor allen Dingen für Frankreichs Linke Konsequenzen. Viele, die nun grün wählen, hätten früher für die Sozialisten gestimmt. Drittens: Die Präsidentenpartei ist und bleibt in erster Linie nur das: eine Präsidentenpartei. Macron und seine LREM profitierten 2017 bei der Präsidentschaftswahl und bei der kurz darauf stattfindenden Neuwahl der Nationalversammlung von der Schwäche der beiden traditionellen Volksparteien, den Republikanern und den Sozialisten. Doch das macht sie selbst eben nicht zur Volkspartei. LREM spielt in der Regionalpolitik kaum eine Rolle.

Für den wiedergewählten LREM-Senator Martin Lévrier ist das auch eine Frage der Geduld. "Es braucht viel Zeit, um sich in den Regionen zu verankern", sagte Lévrier am Sonntagabend und erinnerte daran, dass es bei LREM um eine "junge Partei" handele. LREM war 2017 als "En Marche" (EM) gegründet worden und legte lange Wert darauf, eine "Bewegung" zu sein, keine Partei. Die Anfangsbuchstaben der Bewegung waren dabei nicht zufällig die Initialen des Präsidentschaftskandidaten Macron.

Drei Jahre nach der Wahl wirkt der politische Kern von LREM zunehmend schwer greifbar. Diejenigen, die sich für die Partei in die Nationalversammlung wählen ließen, verorten sich mehrheitlich in der politisch linken Mitte. Macron selbst hat die von ihm angestrebte Gleichzeitigkeit linker und rechter Lösungsansätze mittlerweile zugunsten einer konservativen Politik verschoben. So ist der neue Premierminister Jean Castex ein ehemaliger Berater des konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Zum Eindruck einer schweren Parteikrise tragen nicht nur die Wahlergebnisse sondern auch führende LREM-Mitglieder selber bei. Ende September trat der bisherige stellvertretende Generalsekretär Pierre Person von seinem Amt und aus der Parteiführung zurück. In einem Interview mit Le Monde erklärte Person, die Partei entwickele "keine neue Ideen mehr". "Wir brauen endlich politische Debatten in dieser Partei", sagte Person. Man riskiere, "wie die alten politischen Kräfte zu werden und dadurch einfach zu verschwinden". Person will seinen Rücktritt jedoch nicht als Kritik an Macron verstanden wissen. Eben weil Macron "für die Präsidentschaftswahl 2022 eine starke Partei" benötige, habe er eine Erneuerung der Partei anstoßen wollen.

© SZ vom 29.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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