Pegasus-Projekt:"Amateurhaftigkeit auf der höchsten staatlichen Ebene"

Pegasus-Projekt: In der Kritik: Frankreichs Präsident Macron.

In der Kritik: Frankreichs Präsident Macron.

(Foto: JOHN THYS/AFP)

Auch Frankreichs Opposition ist von den Ausspähversuchen betroffen. Und greift nun Präsident Macron an.

Von Nadia Pantel, Paris

Die Konservativen griffen am Mittwoch zu den schärfsten Worten. Bruno Retailleau, Senator der Republikaner, sprach in einem Interview mit dem Sender RTL von "mangelnder Vorsicht" des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und von "Amateurhaftigkeit auf der höchsten staatlichen Ebene". Retailleau reagierte auf die Recherche des Forbidden-Stories-Netzwerks, zu dem unter anderem die Süddeutsche Zeitung, der NDR und der WDR gehören. Dies zeigte, dass sich eine von Macron verwendete Handynummer auf einer Liste geleakter Telefondaten findet. Damit zählt Macrons Nummer zu den potenziellen Ausspähzielen, die von Kunden der israelischen Spionagefirma NSO Group ins Visier genommen wurden.

Der Élysée gab am Dienstagabend ein knappes Statement ab: "Sollte sich der Verdacht als richtig erweisen, ist er natürlich sehr schwerwiegend." Paris kündigte eine umfassende Aufklärung der Enthüllungen an. Premierminister Jean Castex sagte am Dienstagabend in der Nationalversammlung auf Nachfrage, "die Untersuchungen" seien "noch nicht abgeschlossen". Die Handynummer seines Vorgängers, Édouard Philippe, taucht ebenfalls in den Telefondaten auf, die das Forbidden-Stories-Netzwerk einsehen konnte. Auch alle entscheidenden Minister der Regierung Philippe waren 2019 von der von NSO vertriebenen Spähsoftware Pegasus ins Visier genommen worden. Die Recherchen des Forbidden-Stories-Netzwerk ergaben, dass die Überwachungsversuche in Frankreich von Marokko aus unternommen wurden.

Nicht nur die Regierung ist betroffen, sondern auch Politiker der Opposition. Die linke France Insoumise (FI) kündigte am Mittwoch an, Anzeige zu erstatten. Das Handy von Adrien Quatennens, Parteivize der FI, findet sich auf der Liste der ausgewählten Ausspähziele. Parteichef Jean-Luc Mélenchon fragte auf Twitter: "Wie plant Macron zu reagieren?" Die FI kritisierte den Präsidenten dafür, zu der Affäre bislang zu schweigen.

Im rechten politischen Spektrum gehören Robert Ménard und Éric Zemmour zu den prominentesten Betroffenen. Ménard, Ex-Chef von Reporter ohne Grenzen, steht heute Marine Le Pens Rassemblement National nahe und ist Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Béziers. Ménard hatte sich früher wiederholt für die Pressefreiheit in Marokko eingesetzt. Der rechtspopulistische Kommentator Zemmour, der mit einer Präsidentschaftskandidatur liebäugelt, sagte, der Vorfall zeige die "große Anfälligkeit" Frankreichs. "Wenn die Regierung Bescheid wusste, ist das ein Skandal. Wenn sie es nicht wusste, ist das beunruhigend", so Zemmour.

Auch die Handynummer von Cédric Villani, einer der schillerndsten Figuren der französischen Nationalversammlung, wurde für eine potenzielle Überwachung ausgewählt. Der preisgekrönte Mathematiker Villani war 2017 für die Macron-Partei La République en Marche ins Parlament gewählt worden. Die Fraktion trennte sich 2020 von ihm, als er für das Bürgermeisteramt in Paris kandidierte. Laut Recherchen von Le Monde wurde Villanis Handy zu diesem Zeitpunkt ins Visier genommen. Villani, der Anzeige erstatten will, forderte am Mittwoch eine politische Reaktion. Er sagte, man könne nicht so weitermachen "als sei nichts gewesen".

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