Die erste Runde der Parlamentswahl hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen herber Dämpfer versetzt. Sein Parteienbündnis kommt auf 25,7 Prozent der Stimmen - gleichauf mit der linken Allianz Nupes, die 25,6 Prozent erzielt. Zwar dürften Macrons Unterstützer nach der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag die größte Gruppe in der Nationalversammlung stellen. Allerdings ist unsicher, ob es der Macron-Allianz gelingen wird, die absolute Mehrheit zu erringen. Bei der Präsidentschaftswahl 2017 gewann Macron mit seiner frisch gegründeten Partei La République en Marche (LREM) aus dem Stand 314 Sitze. Fünf Jahre später gab sich die LREM den neuen Namen Renaissance, den aber bislang niemand verwendet und der nicht hält, was er verspricht: Wiedergeburt.
Um der Umsetzung von Macrons Programm eine Mehrheit zu verschaffen, hatte sich Renaissance schon vor dem ersten Wahlgang mit der Mitte-Partei MoDem und der konservativen Partei Horizon von Ex-Premier Édouard Philippe zusammengetan. Doch selbst zu dritt und unter dem Label "Ensemble!" könnten sie nun die absolute Mehrheit von 289 Abgeordneten verfehlen.
Die linken und grünen Parteien - La France Insoumise, Parti Socialiste, Kommunisten und Europe Écologie les Verts - haben dagegen davon profitiert, sich zu einer Allianz zusammengetan zu haben. Ein Triumph der Nupes blieb allerdings aus. Ihren Wahlkampfspruch "Jean-Luc Mélenchon als Premierminister" wird sie nicht einlösen können. Prognosen sehen die Nupes-Allianz bei 160 bis 210 Sitzen.
Anders als Macrons Ensemble! dürfte es der linken Nupes schwerfallen, im zweiten Wahlgang neue Wählergruppen zu erschließen. Sie hat ihr Wählerpotenzial bereits im ersten Durchlauf ausgeschöpft. Macrons Bündnis darf dagegen darauf hoffen, dass konservative Wähler, deren Wunschkandidaten in der ersten Runde rausgeflogen sind, bei der Stichwahl gegen die Nupes stimmen werden. Der linken Allianz aber bleibt nur der Versuch, bis zum kommenden Sonntag Nichtwähler zu mobilisieren.
Macron könnte auf die Républicains angewiesen sein
Tatsächlich sind die Nichtwähler die größte Gruppe bei dieser Wahl. Die Mehrheit der Franzosen ist zu Hause geblieben, nur 47,5 Prozent der Wahlberechtigten sind zur Urne gegangen. Das ist für alle Parteien gleichermaßen eine Niederlage. Am höchsten war die Wahlbeteiligung noch unter den Rentnern - jener Gruppe, bei der Präsident Emmanuel Macron am beliebtesten ist.
Die rechtsbürgerlichen Républicains haben sich bei der Parlamentswahl ein wenig von ihrem desaströsen Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl erholen können. War die Républicains-Kandidatin Valérie Pécresse im Frühjahr nur auf knapp 4,8 Prozent der Stimmen gekommen, so holte ihre Partei nun landesweit 11,2 Prozent.
Sollte Macrons Ensemble!-Bündnis die absolute Mehrheit verfehlen, könnte er künftig auf die Républicains angewiesen sein, um Gesetze zu verabschieden und seine Reformprojekte voranzubringen. Im Vergleich zu Macrons erster Amtszeit, in der die Opposition kaum zu Wort kam, weil der Präsident im Parlament über eine komfortable Mehrheit verfügte, wäre das eine enorme Veränderung der politischen Landschaft.
Die rechtsextreme Marine Le Pen, die es bei der Präsidentschaftswahl wie schon 2017 wieder in die Stichwahl geschafft hatte, kam mit ihrem Rassemblement National in der ersten Runde der Parlamentswahl auf 19 Prozent der Stimmen. Da der Rassemblement National lokal jedoch meist daran scheitert, vor dem zweiten Wahlgang Bündnisse zu schließen, dürften es viele rechte Kandidaten, die in die Stichwahl kamen, nicht bis ins Parlament schaffen.
Bereits im ersten Wahlgang ausgesiebt wurde der rechtsextreme Polemiker Éric Zemmour. Bei der Präsidentschaftswahl hatte es der frühere Meinungsjournalist mit sieben Prozent der Stimmen auf den vierten Platz geschafft. Nun scheiterte die von ihm gegründete Partei "Reconquête!" daran, ins Parlament einzuziehen. Zemmour selbst schied im ersten Wahlgang im vierten Wahlkreis des Département Var aus.
Die großen Lager beschimpfen sich als Schummler und Lügner
Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nupes und Ensemble! im ersten Wahlgang hat am Montag zu zahlreichen, lautstarken Reibereien zwischen beiden Seiten geführt. Nachdem verschiedene Nupes-Kandidaten dem Innenministerium vorwarfen, bei der Darstellung der Wahlergebnisse "zu schummeln", kritisierte Premierministerin Élisabeth Borne den Nupes-Anführer Mélenchon mit den Worten, er sei ein "Lügner".
Zudem tat sich Macrons Renaissance schwer mit klaren Wahlempfehlungen. Es dürfe zwar "keine Stimme an den Rassemblement National gehen", sagte Premierministerin Borne, man wolle allerdings auch manche Nupes-Kandidaten nicht unterstützen. Die Regierungssprecherin Olivia Grégoire hatte am Wahlabend gesagt, man werde "von Fall zu Fall entscheiden", welche Kandidaten man unterstütze, das sei "kein nationales Thema". In Frankreich galt jedoch bislang landesweit die Regel, dass sich die nicht-extremen Kandidaten vor der Stichwahl zusammenschließen, um rechtsextreme Abgeordnete zu verhindern.
Vom Ausgang der Parlamentswahl in der kommenden Woche wird auch die Zusammensetzung der Regierung abhängen. 15 der aktuellen Minister und Ministerinnen haben sich als Abgeordnete zur Wahl gestellt.