Französische Parlamentswahl:Frankreichs Linke verbünden sich

Französische Parlamentswahl: Jean-Luc Mélenchon ist nach seinem guten Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl auf den Premierposten aus.

Jean-Luc Mélenchon ist nach seinem guten Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl auf den Premierposten aus.

(Foto: Bertrand Guay/AFP)

Mélenchons "Unbeugsame" treten gemeinsam mit den Grünen zur Parlamentswahl an. Beim Streitthema Europa finden sie einen heiklen Kompromiss.

Von Thomas Kirchner

Frankreichs politische Landschaft ändert sich - wieder einmal. Eine Woche nach der Präsidentschaftswahl ist ein neues linkes Bündnis entstanden. In der Nacht zum Montag verkündeten die derzeit größten Kräfte - La France Insoumise (LFI) von Jean-Luc Mélenchon und die Grünen (Europe Écologie-Les Verts, EELV) - nach mehrtägigen Verhandlungen eine Einigung. Beide Parteien werden gemeinsam zur Parlamentswahl im Juni antreten, mit dem Ziel, dem wiedergewählten liberalen Präsidenten Emmanuel Macron eine linke Mehrheit entgegenzusetzen.

Macron wäre dann, wie zuletzt Jacques Chirac (1997-2002), zu einer "Cohabitation" mit einem oppositionellen Regierungschef gezwungen. Verhandlungen mit dem Parti socialiste (PS) und den Kommunisten laufen noch.

Ausdrücklich festgehalten ist in der Einigung, dass Mélenchon Premierminister werden soll. Der 70-Jährige hatte in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl überraschend gut abgeschnitten und mit etwa 22 Prozent nur knapp den Einzug in die Stichwahl verpasst. Aus dieser Position der Stärke heraus kann er den Partnern nun die Bedingungen diktieren.

Für alle Beteiligten lohnt sich ein Zusammengehen einerseits. Wegen des Mehrheitswahlrechts haben kleinere Parteien für sich allein kaum Aussichten, Mandate zu gewinnen. Die Grünen haben sich im Bündnis mit LFI nun 100 von 577 Wahlkreisen ausbedungen. Andererseits laufen die Partner von LFI Gefahr, durch zu viele Kompromisse ihre Identität zu verlieren.

Das neue Bündnis ist eine Listenverbindung, keine Partei

Im Präsidentschaftswahlkampf war der Versuch gescheitert, die zersplitterte Linke zu einen, sodass rund ein Dutzend Bewerber ins Rennen gingen. Für die Grünen unter Yannick Jadot sprang mit 4,6 Prozent ein sehr enttäuschendes Ergebnis heraus, während die Sozialisten mit Anne Hidalgo (1,7) eine Katastrophe erlebten und sogar noch hinter den Kommunisten (2,3) landeten.

Das neue Bündnis ist eine Listenverbindung, keine Partei; mit dem Namen "Neue ökologische und soziale Volksunion" bietet es zumindest begrifflich ein Dach für alle Beteiligten. Konkret einigten sich LFI und Grüne auf eine Erhöhung des Mindestlohns und eine Senkung des Renteneintrittsalters auf 60 Jahre. Die Preise für die wichtigsten Lebensmittel sollen gedeckelt und Wirtschaft sowie Lebensweise ökologisch ausgerichtet werden (inklusive Ausstieg aus der Atomkraft). Hinzu kommt eine Reform des politischen Systems mit seinem überstarken Präsidenten und schwachen Parlament.

Heikelster Punkt aber ist die Haltung zu Europa. Mélenchons Parole vom "Ungehorsam" gegenüber europäischen Vorgaben und Verträgen hatte den eher pragmatisch-grünen Jadot und viele Mitstreiter besonders abgeschreckt. Hinzu kommen Mélenchons vielfach bekundetes Verständnis für Russlands Präsident Wladimir Putin, seine Abneigung gegen die USA und die Nato sowie seine Warnungen vor einer deutschen Übermacht in Europa.

In der Vereinbarung heißt es nun, man müsse bereit sein, "gewisse europäische Regeln" nicht zu befolgen, insbesondere den Stabilitätspakt, das Wettbewerbsrecht oder Teile der gemeinsamen Agrarpolitik. Dass dies "in Respekt vor dem Rechtsstaat" geschehen müsse, wie angefügt wird, kritisierte eine grüne EU-Abgeordnete am Montag als Widerspruch. Für die französischen Grünen zählt aber vor allem die Passage, wonach man "weder den Ausstieg aus der EU noch deren Auflösung oder das Ende des Euros" beabsichtige.

Ex-Präsident Hollande sieht die "Geschichte des Sozialismus" in Gefahr

Viele Sozialisten beruhigt dies nicht. Hidalgo lehnt die Kooperation mit Mélenchon ab; Ex-Präsident François Hollande warnt vor einem "Verschwinden" der eigenen, bisher durchaus europafreundlichen Partei, wenn es beim jetzigen Verhandlungsstand mit LFI bleibe - die "ganze Geschichte des Sozialismus" werde dadurch infrage gestellt. Durchsetzen wird sich jedoch vermutlich der PS-Vorsitzende Olivier Faure, der für seine geschwächte und orientierungslose Partei nur die Anlehnung an den stärkeren Partner als Ausweg sieht. Bei der 1.-Mai-Demo in Paris nahm er diese Lösung schon durch einen Handschlag mit Mélenchon vorweg.

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