Nach der ersten Runde der Parlamentswahl hat in Frankreich die Suche nach einem Bündnis gegen die extreme Rechte begonnen. Die Linken und Liberalen kündigen nach und nach die taktischen Rückzüge ihrer Kandidatinnen und Kandidaten für die Stichwahl am kommenden Sonntag an. Dahinter steht die Hoffnung, zu verhindern, dass Marine Le Pens Rassemblement National die absolute Mehrheit der Parlamentssitze gewinnt und den Premierminister stellen kann.
Schon kurz nach Bekanntgabe der ersten Prognosen am Sonntagabend hatte Präsident Emmanuel Macron per Mitteilung gefordert, gegen die extreme Rechte für den zweiten Wahlgang ein „breites, klar demokratisches und republikanisches Bündnis“ zu bilden. Auch am Montag bekräftigte er das französischen Medien zufolge in einem Treffen mit seiner Regierung. Allerdings ist die Frage, wer zu einem solchen „Front républicain“, einer „republikanischen Front“, gehören soll, bisher Interpretationssache.
Finanzminister Bruno Le Maire rief am Montag dazu auf, für Kandidaten aus dem „sozialdemokratischen Lager“ zu stimmen. Dazu zählte er explizit nicht die Politiker der extrem linken La France insoumise. Die Partei gilt vielen gemäßigten Linken als zu radikal, ihr Gründer Jean-Luc Mélenchon ist ein scharfer Kritiker der Europäischen Union, nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober rang sich seine Partei nicht dazu durch, von Terror zu sprechen.
Ex-Premier Philippe plädiert für Strategie des „weder noch“
Im Wahlkampf hatte sich Macron von der extremen Rechten und der extremen Linken gleichermaßen distanziert. Macrons ehemaliger Premierminister Édouard Philippe, der inzwischen seine eigene Partei gegründet hat, aber noch Macrons Bündnis angehört, plädierte nach dem ersten Wahlgang für eine Strategie des „weder noch“: Keine Stimme solle in der Stichwahl an den Rassemblement National gehen, aber auch keine an La France insoumise.
Der amtierende Premierminister Gabriel Attal hingegen war weniger deutlich. Zwar betonte er, dass es eine „moralische Verpflichtung“ gebe, eine absolute Mehrheit der extremen Rechten zu verhindern und dass das Bündnis des Präsidenten seine Kandidaten dort zurückziehen werde, wo sie in der ersten Runde auf dem dritten Platz gelandet sind. Ob das auch für Wahlkreise gilt, in denen Kandidaten der extremen Linken in der Stichwahl antreten, präzisierte er nicht. François Bayrou, Chef der liberalen Kleinpartei MoDem und Vertrauter von Macron, erklärte, das Bündnis müsse von Wahlkreis zu Wahlkreis – also je nach Radikalität des linken Gegenkandidaten – entscheiden, ob es seinen eigenen Kandidaten zurückziehe oder nicht.
Die Parteien, die das Linksbündnis Nouveau Front populaire bilden – also die extrem linke La France insoumise, Sozialisten, Grüne, Kommunisten und ein paar Kleinparteien – haben angekündigt, ihre drittplatzierten Kandidaten überall dort zurückziehen, wo sich dadurch ein Sieg des Rassemblement National verhindern lässt. Solange sich das Lager des Präsidenten nicht genauso klar ausdrücke, sei das ein „feiges Verhalten“, sagte die Grünen-Chefin Marine Tondelier am Montag. Die konservativen Republikaner geben für die Stichwahl keine Empfehlung ab, die extreme Rechte und die extreme Linke seien gleichermaßen eine Bedrohung für das Land.
Laut dem vorläufigen Endergebnis, das das Innenministerium am Montag veröffentlichte, erreichte der Rassemblement National im ersten Wahlgang 29,3 Prozent der Stimmen. Zusammen mit seinen Verbündeten kommt er auf 33,2 Prozent. Mit 28 Prozent der Stimmen folgt das Linksbündnis Nouveau Front populaire. Macrons Bündnis Ensemble pour la République landete mit 20 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz.
Die Anleger reagierten nach dem ersten Wahlgang erleichtert
Wegen der hohen Wahlbeteiligung haben sich bei dieser Parlamentswahl besonders häufig drei Kandidaten für die zweite Runde qualifiziert. In die Stichwahl am kommenden Sonntag kann einziehen, wer mehr als 12,5 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten erzielt hat. Diesmal ist das in mehr als 300 Wahlkreisen der Fall, bei der Parlamentswahl 2022 hatten sich nur in sieben Wahlkreisen drei Kandidaten für die sogenannten Triangulaires qualifiziert. Noch bis 18 Uhr am Dienstagabend haben die Kandidatinnen und Kandidaten Zeit, zu entscheiden, ob sie tatsächlich bei der Stichwahl antreten – oder sich zugunsten eines Bündnisses gegen die extreme Rechte zurückziehen.
Auch auf die Finanzmärkte wirkte sich der erste Wahlgang in Frankreich aus. Die Anleger hatten offenbar mit einem noch besseren Abschneiden der extremen Rechten gerechnet und reagierten nach dem ersten Wahlgang erleichtert: Der Euro kostete am Montagmorgen 1,0776 Dollar und damit mehr als einen halben Cent mehr als am Freitagabend. Experten fürchten, dass ein Sieg von Marine Le Pens Rassemblement National in der Stichwahl die gesamte Währungsunion destabilisieren und den Euro schwächen könnte.