Süddeutsche Zeitung

Frankreich: Nicolas Sarkozy:Staatsmann statt Pokerspieler

Zur Abwechslung einmal seriös: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy trifft eine ruhige, eine gute Entscheidung und belässt den beliebten Premier Fillon im Amt.

Stefan Ulrich

Nicolas Sarkozy ist viel gescholten worden in den vergangenen Jahren. Dieses Wochenende hat er sich jedoch ein Lob verdient. Der Präsident hatte die Wahl zwischen einer originellen und einer seriösen Lösung. Originell wäre es gewesen, Jean-Louis Borloo zum neuen französischen Premier zu machen. Der bisherige Umweltminister gilt als blitzgescheiter Querkopf mit Sinn fürs Soziale, aber auch als ausgabefreudig und unberechenbar. Sarkozy entschied sich, nach langem Zögern, für die langweiligere, aber seriöse Lösung: Er hält am bisherigen Regierungschef François Fillon fest.

Dieser gemäßigte, besonnene Konservative war in den vergangenen Jahren der ruhende Pol neben dem kolibrihaft herumschwirrenden Sarkozy. Er ist daher bei den Franzosen viel beliebter als der Präsident. Es spricht für Sarkozys Souveränität, dass er an ihm festhält.

Für Frankreich, das Ausland und besonders auch Deutschland ist das eine gute Nachricht. Fillon steht für Realismus und Budget-Disziplin. Er weiß, dass der Staatshaushalt saniert werden muss und dürfte darauf verzichten, Sarkozys Wiederwahl im Jahr 2012 mit dem offenen Geldbeutel zu erkaufen. Das wird die Abstimmung zwischen Berlin und Paris erleichtern. Zudem gehört Fillon nicht zu jenen Franzosen, die Deutschland wegen seiner Exportstärke schelten. Der Premier will vielmehr versuchen, die französischen Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen und so Arbeitsplätze zu schaffen. Gelingt ihm das, so wird dies im nächsten Präsidentschaftswahlkampf Sarkozy zugute kommen.

Indem er Fillon als Premier behält, beruhigt Sarkozy die Abgeordneten seiner UMP-Partei und die bürgerliche Stammwählerschaft. Dies macht es dem rechtsextremen Front National schwerer. Doch Fillon steht nicht nur für "rechte" Werte wie Sicherheit und Sparsamkeit. Er vertritt einen sozialen Gaullismus und wird versuchen, das Land nach den erbitterten Rentenprotesten zu beruhigen. Zudem hat er bewiesen, dass er Exzesse des Präsidenten, etwa gegenüber Roma und anderen Einwanderern, ablehnt. Daher ist Fillon auch für Wähler der Mitte attraktiv. Der Mann, der vom Präsidenten einst als "collaborateur" abgestempelt wurde, ist zum politischen Schwergewicht geworden.

Sarkozy kann nun mit einer neuen, kompakteren Regierung weiterarbeiten, in der auch der einflussreiche Ex-Premier Alain Juppé seinen Platz findet. An diesem Kabinett also dürfte Sarkozys Wiederwahl im Frühjahr 2012 nicht scheitern. Es liegt am Präsidenten selbst, aus seinen Fehlern der vergangenen Jahre zu lernen. So war es unsinnig, die Regierungsumbildung im Frühjahr anzukündigen, um dann Fillon und die Minister ein halbes Jahr lang zappeln zu lassen. Dieses unfaire Manöver hat viele Franzosen verärgert. Sie wünschen, dass ihr Präsident nicht als Pokerspieler, sondern als Staatsmann agiert. Mit seiner Entscheidung für Premier Fillon ist Sarkozy diesmal den Erwartungen gerecht geworden.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2010/cag
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