Frankreich:Gedämpfter Jubel zum Nationalfeiertag

Nationalfeiertag in Frankreich

Statt wie gewohnt auf den Champs-Élysées, fand die militärische Leistungsschau auf der Place de la Concorde statt. Dort fehlten die jubelnden Schaulustigen, die normalerweise zusammenkommen, um sich anzuschauen, wie die Flugzeugstaffeln über die Stadt donnern.

(Foto: dpa)

Es sind ungewohnte Bilder für eine Militärparade - das Land ehrt diesmal auch Ärzte und Pfleger. Doch die hätten lieber bessere Bezahlung.

Von Nadia Pantel, Paris

Zwischen den Soldatinnen und Soldaten in Tarnuniform fallen sie ganz besonders auf: eine Frau mit Turnschuhen und Tätowierungen, ein lächelnder älterer Herr, dem der Großteil der Haare schon verloren gegangen ist, eine junge Frau mit rotgefärbter Frisur.

Es sind ungewohnte Bilder für eine Militärparade - bei den traditionellen Feierlichkeiten am französischen Nationalfeiertag wurde in diesem Jahr nicht nur die Armee geehrt, sondern auch Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal, die in ihren weißen Kitteln den Dank des Präsidenten entgegennahmen. Dieser entmilitarisierte Truppenaufmarsch war gleichzeitig die Folge der präsidialen Kriegsrhetorik. Als Emmanuel Macron Mitte März eine strenge Ausgangssperre anordnete, erklärte er den Franzosen, das Land befinde sich "im Krieg". Somit wurde jeder zum Kämpfenden erklärt, und "an vorderster Front", so Macron, das Personal der Krankenhäuser und Altenheimen.

Wie für einen Nationalfeiertag üblich, standen Stolz und Triumph im Vordergrund. Im Vorfeld der Parade sagte Macron, "die gesamte Nation" habe "ihr Schicksal in die Hand genommen" und habe sich "im Angesicht der Gefahr erhoben und seinen Kampfgeist gezeigt". Gleichzeitig wurde deutlich, um was für einen zähen Gegner es sich bei einem Virus handelt.

Statt wie gewohnt auf den Champs-Élysées, fand die militärische Leistungsschau auf der Place de la Concorde statt. Dort fehlten die jubelnden Schaulustigen, die normalerweise zusammenkommen, um sich anzuschauen, wie die Flugzeugstaffeln über die Stadt donnern. Am Abend soll zwar ein Feuerwerk vor dem Eiffelturm entzündet werden, um Menschenansammlungen zu verhindern, allerdings werden unter anderem jene Brücken gesperrt, von denen aus man einen guten Blick auf das Spektakel hätte. Bescheiden und still wie 2020 war der 14. Juli selten.

Zeitgleich demonstrierten Gewerkschaften des Krankenhauspersonals

Gleichzeitig war die Parade war auch ein eindrücklicher Beleg für die Errungenschaften der deutsch-französischen Freundschaft. Lange bevor das Coronavirus die Regie der Feierlichkeiten übernahm, war die Entscheidung gefallen, den 14. Juli 2020 unter die posthume Schirmherrschaft Charles de Gaulles zu stellen. Schließlich jähren sich in diesem Jahr de Gaulles Geburts- und Todestag (1890 und 1970) und de Gaulles Widerstands-Appell des 18. Juni. So begann die Militärparade mit einer filmischen Hommage an den Weltkriegsgeneral de Gaulle, bei der unter anderem gezeigt wurde, wie ein Hakenkreuz in die Luft gesprengt wird.

Doch ebenso wie der Sieg über Nazi-Deutschland wurde die heutige Kooperation der beiden Länder gefeiert. Eine halbe Stunde nach der Ehrung de Gaulles marschierten Soldaten unter deutscher Fahne über die Place de la Concorde, und auf den Rängen applaudierten die CDU-Politiker Jens Spahn und Armin Laschet. Der Gesundheitsminister und der deutsch-französische Kulturbevollmächtigte wurden eingeladen, um Deutschlands Unterstützung bei der Versorgung französischer Covid-19-Patienten zu würdigen. Zum Höhepunkt der Pandemie wurden 120 Franzosen in deutschen Krankenhäusern behandelt, Berlin übernahm die Kosten für Transport und Behandlung. Auch die Schweiz, Luxemburg und Österreich hatten französische Patienten aufgenommen.

Während in Frankreich und auf der ganzen Welt die Militärparade und die Ehrung des Krankenhauspersonals im Fernsehen übertragen wurde, wird um die Frage, wie Ärzte und Pfleger gerecht entlohnt werden sollten, weiterhin gestritten. Zeitgleich zu den Feierlichkeiten demonstrierten im Pariser Osten Gewerkschaften des Krankenhauspersonals für höhere Löhne und höhere Prämien. Am Montag hatten der Premierminister und drei der wichtigsten Gewerkschaften einen Plan für das Gesundheitswesen unterzeichnet, der Ausgaben von 8,1 Milliarden Euro vorsieht. Premierminister Jean Castex sprach von einem "historischen Moment". Gesundheitsminister Olivier Véran rechnete vor, dass das Gehalt von Pflegepersonal "um 225 Euro netto pro Monat" ansteigen werde. Doch weder der Vereinigung junger Ärzte, noch dem Krankenhausverband, noch der linken Gewerkschaft CGT erscheinen diese Ausgaben ausreichend.

Coronavirus kann wieder im Pariser Abwasser nachgewiesen werden

Frankreich steht unter anderem vor dem Problem, dass Arbeits- und Ausbildungsplätze in den Krankenhäusern nicht mehr besetzt werden können. Schon Monate vor Ausbruch des Coronavirus hatten Ärzte und Pfleger einen landesweiten Streik begonnen, um auf ihre hohe Arbeitsbelastung aufmerksam zu machen. Diejenigen Gewerkschaften, die sich mit dem neuen Milliardenplan für Krankenhäuser und Pflegeheime nicht zufriedengeben wollen, haben für September eine Großdemonstration angekündigt.

Auch wenn der 14. Juli in Frankreich traditionell den Beginn der vierwöchigen Sommerpause markiert, während derer das öffentliche Leben sich aufs Land und ans Meer verlagert, zeichnet sich ab, dass die heißen Monate für die Krankenhäuser nicht zwingend eine Entlastung bringen. Seit Anfang Juli melden die Krankenhäuser in Paris wieder eine Zunahme der Covid-19-Patienten.

Zudem kann das Coronavirus seit zwei Wochen wieder im Abwasser der Stadt nachgewiesen werden. Nach Ende der Ausgangssperre und den Juni über war dies nicht mehr der Fall gewesen. Aktuell beobachtet das französische Gesundheitsministerium 68 Corona-Cluster, von denen nicht alle als kontrolliert gelten.

Im Anschluss an die Militärparade empfing Präsident Macron im Élysée-Palast zwei Journalisten für ein Live-Interview. In den ersten drei Jahren seiner Amtszeit hatte Macron auf die Tradition verzichtet, sich am 14. Juli vor laufenden Kameras befragen zu lassen. Doch seit Beginn der Corona-Pandemie hat der 42-Jährige die Frequenz seiner öffentlichen Erklärungen und Ansprachen deutlich erhöht.

Nun also auch noch ein Interview. Frankreich solle weniger "an sich selbst zweifeln", begann Macron das Gespräch, das er zunächst betont defensiv führte. Er habe "ohne Zweifel Fehler gemacht". Allerdings analysierte Macron dann weniger Fehler in der Sache denn in der Form. Er habe seine Politik nicht gut genug erklärt und "nicht schnell genug" positive Ergebnisse seiner Reformen präsentieren können.

Mit konkreten Ankündigungen hielt sich der Präsident zwar zurück, doch er versprach eine neue Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus. Das Tragen von Atemmasken solle in geschlossenen Räumen verpflichtend werden. Zu den Protesten gegen seinen frisch ernannten Innenminister Gérald Darmanin befragt, sagte Macron, er halte an der Unschuldsvermutung fest. Gegen Darmanin laufen Ermittlungen wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs.

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