Frankreich nach den Anschlägen:Hollande will IS "zerstören"

French President Hollande arrives to deliver a speech at a special congress of the joint upper and lower houses of parliament (National Assembly and Senate) at the Palace of Versailles

Präsident als Kriegsherr: Hollande vor seiner Rede vor dem Parlament.

(Foto: REUTERS)
  • Frankreich steht eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus bevor.
  • In einer Rede vor beiden Parlamentskammern kündigt Präsident Hollande die Verlängerung des Ausnahmezustands um drei Monate an.
  • Die Opposition um Ex-Präsident Sarkozy und die rechtsextreme Marine Le Pen hat unterdessen einen Wettbewerb um innenpolitische Härte losgetreten.

Von Leo Klimm, Paris

François Hollande stimmt Frankreich auf einen langen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus ein. "Frankreich ist im Krieg", sagte der Staatspräsident am Montag in der bisher wichtigsten Rede seiner Amtszeit. Dieser Krieg werde sowohl in Syrien ausgetragen, der Hochburg des sogenannten Islamischen Staats (IS), als auch in Frankreich selbst. Die Attentäter, die in Paris am Freitag mindestens 129 Menschen getötet hatten, wurden wahrscheinlich aus Syrien gesteuert.

Dementsprechend kündigte Hollande einerseits Veränderungen an, mit denen Schwächen bei der inneren Sicherheit möglichst schnell beseitigt werden sollen. Andererseits forderte er seine internationalen Partner auf, mehr für die Bekämpfung des IS in Syrien zu tun. Die dringlichste innenpolitische Maßnahme ist für Hollande die Verlängerung des Ausnahmezustandes um drei Monate, den er nach den blutigen Anschlägen von Freitag verhängt hat.

Der Notstand wird derzeit noch durch ein Gesetz geregelt, das 1955 im Algerienkrieg erlassen wurde. Er erlaubt es Behörden, die Bewegungsfreiheit von Bürgern aufzuheben und besondere "Schutz- und Sicherheitszonen" einzurichten. Der Ausnahmezustand muss bisher nach zwölf Tagen vom Parlament bestätigt werden. Nun aber wird Hollande noch in dieser Woche ein Gesetz verabschieden lassen, das ihm und der Regierung für die nächsten drei Monate weitgehend freie Hand lässt im Anti-Terror-Kampf auf französischem Boden.

Der Staatschef versprach gleichzeitig eine Verfassungsreform, die darauf abziele, auf ähnlichen Krisensituationen in Zukunft reagieren zu können, "ohne auf den Notstand zurückzugreifen und ohne die Grundrechte einzuschränken". Angesichts offenkundiger Lücken in der Terrorismusbekämpfung will Hollande 2016 insgesamt 8500 zusätzliche Stellen bei Polizei, Gendarmerie, Justiz und beim Zoll schaffen. Eine geplante Stellenkürzung bei der Armee sagte er ab. Er nehme hin, dass Frankreich deswegen seine Defizitziele nicht einhalten werde - Sicherheit sei wichtiger als der EU-Stabilitätspakt, so Hollande.

In seiner feierlichen Rede vor dem versammelten französischen Kongress - bestehend aus Nationalversammlung und Senat - ging es dem Staatschef nicht zuletzt um die Beschwörung der nationalen Einheit: Anders als nach den islamistischen Attentaten, die sich unter anderem gegen die Satirezeitung Charlie Hebdo gerichtet hatten, fehlte bisher ein so starkes, einigendes Zeichen wie die Demonstrationen, zu denen sich im Januar Millionen in Frankreich versammelt hatten.

Die Einberufung beider Parlamentskammern in Schloss Versailles ist ein äußerst seltenes Ereignis, mit dem Hollande das Land symbolisch und politisch hinter sich scharen will. Bei dem Auftritt ging es für den Sozialisten nicht zuletzt darum, sich als modernen Kriegsherrn zu präsentieren, der den Herausforderungen des dschihadistischen Terrorismus gewachsen ist. Für seine Rede erhielt er starken Applaus aus allen Fraktionen.

Dessen ungeachtet steht der Präsident unter erheblichem Druck der Opposition. Tatsächlich haben die Republikaner, die Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, und der rechtsextreme Front National (FN) eine Art Wettbewerb um innenpolitische Härte losgetreten: FN-Chefin Marine Le Pen verlangt einen - von Hollande abgelehnten - sofortigen Aufnahmestopp für Flüchtlinge in Frankreich. Sie fühlt sich durch die Erkenntnis bestätigt, dass einer der Attentäter als syrischer Flüchtling nach Europa eingereist sein soll.

Forderungen an die EU-Partner

Den Ermittlungen zufolge stand ein Teil der Terroristen zudem früher unter Überwachung der Geheimdienste - ohne dass dies jetzt die Anschläge verhindert hätte. Sarkozy will deshalb etwa 11 500 Personen, die als radikalisierte Muslime gelten, unter Hausarrest stellen und mit einer elektronischen Fußfessel überwachen. Darauf ging Hollande nicht ein. Einer anderen Forderung der Konservativen beugt er sich dagegen: Hollande ist bereit, das Tabu einer Zusammenarbeit mit Russland bei der IS-Bekämpfung in Syrien zu brechen.

Bisher hatte Frankreich den Schulterschluss mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gescheut, weil der den syrischen Diktator Baschar al-Assad protegiert. An diesem Dienstag sieht Hollande US-Außenminister John Kerry in Paris zu Gesprächen. Bei Treffen mit Putin und US-Präsident Barack Obama möchte er dann in den nächsten Tagen die Möglichkeit einer "großen und vereinten Koalition" gegen den IS ausloten. Auch Iran, die Türkei und die Golfstaaten will er einbeziehen. "Es geht darum, diese Organisation zu zerstören", so Hollande. Seit Sonntagabend hat Frankreich seine Luftschläge in Syrien verstärkt.

Auch an die EU-Partner richtete Hollande Forderungen. Etwa die, langwierige Rechtsverfahren bei der Bekämpfung des grenzüberschreitenden illegalen Waffenhandels zu verkürzen. Zudem seien "koordinierte und systematische Kontrollen der Grenzen" Europas nötig. Hollande bekräftigte die Verpflichtung der Europäer, politisch Verfolgten Asyl zu gewähren. Wer darauf aber kein Recht habe, müsse schnell abgeschoben werden - ein impliziter Aufruf an die Bundesregierung.

Schon vor Hollandes Rede versuchte seine Regierung, ihre Effizienz im Kampf gegen den Terrorismus unter Beweis zu stellen. Premierminister Manuel Valls versprach die Schließung von Moscheen, in denen Hass gepredigt werde. Innenminister Bernard Cazeneuve präsentierte die Bilanz von 168 eilig angeordneten Razzien, die in der Nacht zu Montag in ganz Frankreich stattgefunden haben.

Diese Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung wurden durch die Ausrufung des Ausnahmezustandes möglich. Demnach wurden bei den Razzien 23 Personen festgenommen und 104 Personen präventiv unter Hausarrest gestellt. Die Polizei stellte schwere Waffen, Drogen und Computer sicher. In Lyon wurde der Polizei zufolge ein "wahres Kriegsarsenal" ausgehoben.

"Das ist erst der Anfang", versprach Cazeneuve.

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