Frankreich:Manuel Valls und die nackte Brust der Republik

Lesezeit: 2 Min.

Manuel Valls (l.) und die Marianne-Statue mit zusätzlicher französischer Flagge in Pézenas (r.) (Foto: Bertrand Guay/AFP; imago stock&people)

Die Marianne ist das Symbol Frankreichs. Und ihre nackten Brüste sind es auch, findet der Premier - im Gegensatz zum muslimischen Kopftuch. Eine Historikerin widerspricht vehement.

Von Paul Munzinger

Die Bekleidung von Frauen steht seit Wochen im Mittelpunkt der immer schriller werdenden Debatte über den Islam in Frankreich. Erst war es der Burkini, der Ganzkörperbadeanzug, der zum Feind der Republik erklärt und in einigen Gemeinden verboten wurde. Am Wochenende warf ein Restaurantbesitzer zwei muslimische Frauen aus seinem Lokal, weil er deren Kopftuch nicht akzeptierte - so berichtet es eine der Frauen in einem am Mittwoch veröffentlichen Video. Zuvor hatte der Restaurantbesitzer alle Muslime als Terroristen bezeichnet.

Nun will Premierminister Manuel Valls auch die nackte Brust der Marianne, der weiblichen Verkörperung der Französischen Republik, in den Kampf gegen die Verschleierung muslimischer Frauen einspannen. "Mariannes Brust ist nackt, weil sie das Volk nährt", rief Valls bei einem Treffen der französischen Sozialisten in Colomiers. "Sie ist nicht verhüllt, weil sie frei ist. Das ist die Republik!" Die Marianne, die als Büste in den meisten französischen Rathäusern den Staat repräsentiert, wird häufig barbusig dargestellt.

Eine Historikerin widerspricht

Die Historikerin Mathilde Larrère, eine Expertin für die französische Revolutionsära, widersprach Valls' Deutung vehement. In einer Serie von Twitter-Nachrichten präsentierte Larrère eine "kurze Geschichte der Brust Mariannes": Bei Marianne handele es sich um eine Allegorie für die Französische Republik, die nach antikem Vorbild mit nackter Brust gezeigt wurde - "ohne, dass dies irgendetwas bedeuten würde", so Larrère. Eine Allegorie ist die Darstellung einer abstrakten Idee, wie die der Französischen Republik, in einem konkreten Bild, wie dem einer Frau.

Larrère weist zudem darauf hin, dass Marianne keinesfalls immer mit entblößten Brüsten abgebildet wird. Vielmehr habe es im 19. Jahrhundert zwei konkurrierende Bilder gegeben: eine brave Marianne, sitzend, mit bedeckten Brüsten - und eine revolutionäre Marianne, bewaffnet, mit offenem Haar. Welche dieser Darstellungen ein Künstler favorisiert habe, hänge nur davon ab, welches Bild der Republik er habe zeigen wollen. Marianne stehe also für den Staat und nicht für die Frauen, die in ihm leben. Im Gegenteil: "Keiner der Herren hat zu dieser Zeit daran gedacht, Frauen eine gesellschaftliche Rolle, Freiheit oder das Wahlrecht zuzugestehen."

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Die Grünen-Politikerin und frühere Ministerin Cécile Duflot wies in mehreren Tweets darauf hin, dass Marianne häufig mit der sogenanntem phrygischen Mütze, einem Symbol der Französischen Revolution, dargestellt wird - also selbst gewissermaßen verschleiert.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

UN: Burkini-Verbot "hochgradig diskriminierend"

Auch im Streit um den Burkini hatte Valls die Meinung vertreten, die Verschleierung widerspreche den Werten Frankreichs. Der Burkini sei, so Valls, "die Umsetzung eines politischen Projekts, einer Gegengesellschaft, die auf der Unterdrückung der Frau gründet".

Das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs hat dieser Einschätzung vergangenen Freitag deutlich widersprochen. Das Verbot religiöser Badebekleidung am Strand verletze "schwerwiegend und offensichtlich ungesetzlich die Grundfreiheiten". Das Gericht kippte das Verbot in der Gemeinde Villeneuve-Loubet, es steht nun in ganz Frankreich vor dem Aus. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte forderte am Dienstag auch die anderen Orte auf, die "hochgradig diskriminierenden Verbote" unverzüglich abzuschaffen. Sie beförderten die Stigmatisierung von Muslimen.

© SZ.de/pamu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Niqab, Hidschab, Burka
:Stoff für viel Streit

Sind sie Ausdruck individuellen Glaubens? Ein politisches Statement? Oder gar Mittel aggressiver Missionierung? Hidschab, Niqab und Burka spalten die Öffentlichkeit - eine aufgeregte Debatte, in der alle ein bisschen recht haben.

Von Moritz Baumstieger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: