Frankreich:Macron verspricht viel Geld

Frankreich: Auch die Rentner sollen in der zweiten Amtszeit von Emmanuel Macron profitieren, die Mindestrente soll sich auf 1100 Euro erhöhen.

Auch die Rentner sollen in der zweiten Amtszeit von Emmanuel Macron profitieren, die Mindestrente soll sich auf 1100 Euro erhöhen.

(Foto: Christophe Ena/AP)

Frankreichs Präsident will nach seinem Wahlsieg die Ausgaben weiter erhöhen, obwohl das Land bereits unter einer enormen Schuldenlast ächzt. Das könnte für Europa und Deutschland zum Problem werden.

Von Michael Kläsgen, Paris

Der Internationale Währungsfonds hat vergangene Woche in aller Klarheit vor einer deutlichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums weltweit und einer hohen Inflation gewarnt. Es könnte auch in Frankreich zu einer Phase der Stagflation kommen mit keinem oder nur wenig Wachstum und einer hohen Inflation. Aus französischer Sicht käme dann erschwerend hinzu, dass sich die Staatsverschuldung in der ersten Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron auf fast 115 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöht hat.

Zugleich mehren sich die Anzeichen, dass die Europäische Zentralbank die Geldpolitik straffen und die Zinsen erhöhen wird. Das könnte den Abbau des hohen Schuldenbergs erschweren. Eine von Anhängern solider Staatsfinanzen favorisierte Variante, auf die veränderte Weltwirtschaftslage zu reagieren, wäre es, die Staatsausgaben zu reduzieren oder die Steuern zu erhöhen.

Doch am Tag nach der Wahl ist aus Macrons Lager davon nichts zu hören. Ganz im Gegenteil: Der erneut gewählte Präsident scheint fest entschlossen, seine "Was immer es koste"-Politik fortzuführen. Gleich am Montagmorgen stellte Macrons Wirtschaftsminister Bruno Le Maire im französischen Radio klar, dass "der Rabatt auf die Kraftstoffpreise im kommenden Jahr beibehalten" werde. Zudem könne eine "auf Vielfahrer ausgerichtete" Unterstützung im Sommer in Kraft treten. Auch die Deckelung der Gaspreise für die Endverbraucher werde 2022 beibehalten. Kurzum: An der Subventionierung der Energiekosten will Macron nicht rütteln. Dabei sehen viele Ökonomen es gerade in Zeiten der Stagflation kritisch, wenn der Staat breitflächig den Konsum der Bürger mitfinanziert.

Die geplanten Mehrausgaben von Macron in den kommenden fünf Jahren haben sich damit allerdings längst nicht erschöpft. Er will einen Lebensmittelscheck direkt nach seiner Wiederwahl verteilen. Der soll allerdings ausschließlich an die acht Millionen einkommensschwächsten Menschen gehen. Franzosen, die arbeiten und weniger als die Summe von drei Mindestlöhnen verdienen, erhalten zudem die steuer- und abgabenfreie "Macron"-Prämie. Sie wird von derzeit 2000 auf bis zu 6000 Euro erhöht.

Macron will die Zahl der Polizisten verdoppeln, höhere Gehälter im öffentlichen Dienst und für Lehrer

Ein Gesetzentwurf sieht zudem vor, in den kommenden fünf Jahren 15 Milliarden Euro zusätzlich für die Sicherheit bereitzustellen. Die Zahl der Polizisten auf den Straßen will Macron bis 2030 verdoppeln und 8500 zusätzliche Richter und Staatsanwälte einstellen. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sollen erstmals nach fünf Jahren wieder angehoben werden. Lehrern will er ermöglichen, ihr Gehalt um bis zu 20 Prozent aufzustocken, wenn sie Hausaufgabenhilfe oder Ausbildungen außerhalb der Schulzeit übernehmen. Zudem steht eine generelle Lohnerhöhung für alle um etwa zehn Prozent im Raum sowie ein Mindestgehalt von 2000 Euro.

Hinzu kommen weitere Steuersenkungen in Höhe von 15 Milliarden Euro, nach 50 Milliarden Euro in seiner ersten Amtszeit. Unter anderem will er den Steuerfreibetrag für Erbschaften signifikant erhöhen und Unternehmen um weitere sieben Milliarden Euro entlasten. Unabhängig davon ist vorgesehen, den ökologischen Wandel der französischen Industrie mit jährlich zehn Milliarden Euro zu bezuschussen.

Der bislang einzige Punkt, bei dem es um nachhaltige Einsparungen im Haushalt gehen könnte, ist die Rentenreform. Nachdem Macron damit in seiner ersten Amtszeit gescheitert war, soll sie diesmal gelingen. Macrons Plan ist, das Renteneintrittsalter schrittweise bis 2031 von 62 auf 65 Jahre anzuheben. Neu ist dabei, dass er die Sozialpartner über das Tempo des Übergangs und das Ziel mitbestimmen lassen will. Denn 80 Prozent der Franzosen sind gegen die Reform.

Macron will zudem die vielen Ungerechtigkeiten zwischen den schätzungsweise rund 40 unterschiedlichen Rentensystemen im Land beseitigen und die Modelle vereinheitlichen. Ob ihm das gelingen wird, ist angesichts des Scheiterns vieler seiner Vorgänger fraglich. Fest steht bislang auch bei den Renten zunächst nur, dass weitere Ausgaben anstehen. Die Mindestrente soll von 980 Euro auf 1100 Euro pro Monat angehoben werden.

Die Zinsen für Staatsanleihen steigen bereits

Von Haushaltsdisziplin ist im Moment also nicht viel zu merken nach der Wahl. Für Deutschland ist das durchaus relevant. Das wirkliche Risiko für die öffentlichen Finanzen in der EU geht nach Expertenansicht nicht von kleinen Euro-Mitgliedsländern aus, sondern von großen wie Frankreich.

Das Land spürt bereits, wie sich das Klima an den Finanzmärkten verändert. Die zehnjährige französische Staatsanleihe wurde in den vergangenen Wochen mit fast 1,4 Prozent Zinsen gehandelt. Noch vor wenigen Monaten hatte das Wirtschaftsministerium für Ende 2022 einen Zinssatz von 0,75 Prozent prognostiziert. Le Maire weiß: Steigen die Zinsen für die zurückzuzahlenden Schulden um nur einen Prozentpunkt, muss Frankreich jedes Jahr fast 30 Milliarden Euro mehr zahlen, um die Last abzubauen. Die Entspanntheit des neu gewählten Präsidenten ist wohl nur damit zu erklären, dass im Juni Parlamentswahlen anstehen und er die Wähler nicht weiter verschrecken will.

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