Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Ärmel hoch und Angriff

Konfrontiert mit heftiger Kritik an seinem Engagement für den US-Konzern Uber, dreht Emmanuel Macron den Spieß einfach um: Er würde es genauso wieder machen, sagt er - und serviert einen deftigen Spruch dazu.

Von Thomas Kirchner

Kam ihm der Satz spontan in den Sinn, oder wusste Emmanuel Macron schon am Dienstagmorgen, dass er ihn am Nachmittag sagen würde? "Ça m'en touche une sans faire bouger l'autre": So reagierte der französische Präsident auf die anhaltende Kritik der Opposition an seinem Umgang mit dem Fahrdienstvermittler Uber. Der Spruch ist berühmt und ziert sogar T-Shirts, seit ihn Jacques Chirac in den Achtzigerjahren benutzte. Er hat eine anzügliche Lässigkeit - Testikel sind im Spiel -, die sich nur im weitesten Sinne übersetzen lässt: Macron signalisiert, dass ihm die Vorwürfe am Hinterteil vorbeigehen.

In seiner Zeit als Wirtschaftsminister von 2014 bis 2016 hatte der Liberale dem US-Unternehmen nach Kräften geholfen, in Frankreich Fuß zu fassen, einem Land, dessen Politik - von der Taxi-Konkurrenz ganz zu schweigen - Uber überwiegend feindlich gesinnt war. Wie aus den Uber Files hervorgeht, über die in Frankreich Le Monde, in Deutschland NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichteten, kam es zu bisher nicht öffentlich bekannten Treffen des Ministers mit Uber-Verantwortlichen. Dabei sei eine gemeinsame Strategie entwickelt worden, um die Interessen von Uber durchzusetzen. Möglicherweise hat der Minister damals auch die Gesetzgebung zugunsten Ubers beeinflusst.

Vor allem die Linke sieht in den Enthüllungen sämtliche Klischees vom "neoliberalen" Macron bestätigt. "An diesem Beispiel sieht man, wer die Partner von Emmanuel Macron sind: die großen Bosse", sagte Philippe Martinez, Chef der Gewerkschaft CGT. Von einem "Staatsskandal" sprach Danielle Simonnet von der linken La France Insoumise im Parlament. Offenbar schwebe dem Präsidenten eine "Gesellschaft des rechtlosen Uber-Arbeiters" vor, das sei "kollektiver sozialer Selbstmord".

Der Präsident aber zeigte weder Demut noch Schuldbewusstsein, sondern blies zum Gegenangriff. "Ich gratuliere mir zu dem, was ich getan habe", sagte er. Und dass er es "morgen und übermorgen wieder so machen" würde. Dazu passte, dass er als nahbar erschien - ohne Jacket, die Ärmel hochgekrempelt -, so wie ihn die Franzosen zuletzt im April erlebt hatten, vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl, als Macron für einige Tage geradezu aggressiv in der Menge badete. Es folgten eine Zeit der Zurückhaltung und der Verlust der Mehrheit bei den Parlamentswahlen. Zum ersten Mal war der Staatschef nun wieder in der Provinz unterwegs, in Crolles bei Grenoble. Ort und Anlass wirkten so, als hätte der Élysée die Uber-Gefahr kommen sehen - um die perfekte Inszenierung dagegenzusetzen.

Ja, er habe mit vielen Unternehmern gesprochen - und sei stolz darauf

Denn in den kleinen Hochalpenort war Macron gekommen, um "eine gute Nachricht zu feiern": den Bau einer neuen Halbleiterfabrik durch den US-Konzern Global Foundries und die europäische ST Microelectronics, samt Investitionen von 5,7 Milliarden Euro, zum Teil aus der französischen Staatskasse. Das ist nicht nur ganz im Sinne der "industriellen Souveränität" Frankreichs, wie Macron mehrmals hervorhob. Es schafft auch 1000 neue Arbeitsplätze.

Und deshalb meinte Macron den Spieß gegen seine linken Kritiker umdrehen zu können. "Sie haben den Kompass verloren", sagte er zu Journalisten. "Wenn man an die soziale Gerechtigkeit und die Chancengleichheit glaubt, muss man doch dafür kämpfen, dass junge Menschen aus schwierigen Verhältnissen eine Anstellung bekommen. Das war nie ihr Kampf. Aber meiner." Ja, er habe mit vielen Unternehmern gesprochen. Und er sei stolz darauf.

Tatsächlich sah Macron gerade US-Firmen wie Airbnb oder Uber, die regulierte Märkte angriffen und auch mal Regeln übertraten, zu jener Zeit wohl als Verkörperung des Zeitgeists. Sie passten zu seinem Fortschrittscredo, dem Optimismus, dem Glauben an Leistung und Verdienst - und zu seinem Willen, auch in Frankreich Verkrustungen aufzubrechen.

Insofern sei Macron nun auf seine "Grundüberzeugung" und sein "Lieblingsthema" zurückgekommen, schreibt Le Monde, "als Apostel einer triumphierenden Ökonomie, die früher oder später die Massenarbeitslosigkeit besiegt" und Frankreich den Elan der Ära Pompidou in den frühen Siebzigern zurückgebe. Doch das sei nur die eine Seite, verteidigte sich Macron in Crolles. Als Präsident habe er schließlich dafür gesorgt, dass Uber und die Plattformwirtschaft reguliert worden seien.

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