Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Macron riskiert Streit mit Gewerkschaften

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Von Leo Klimm, Paris

Nach dem Sieg der Partei von Präsident Emmanuel Macron in der ersten Runde der Parlamentswahl strebt Frankreichs Regierung schnelle Reformen an. "Wir wollen keine Mehrheit, um uns ein ruhiges Leben zu machen, sondern um zu reformieren", sagte Regierungssprecher Christophe Castaner am Montag. Macrons sozial-liberaler Bewegung La République en Marche ist die absolute Mehrheit im zweiten Wahlgang am nächsten Sonntag rechnerisch kaum mehr zu nehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete den Erfolg Macrons im ersten Durchgang als "starkes Votum für Reformen" und gratulierte dem Staatspräsidenten zum Erfolg. Obwohl Merkel als CDU-Vorsitzende formal der Schwesterpartei der Republikaner die Treue halten müsste, hatte sie zuletzt kaum ein Hehl aus ihrer Sympathie für Macron und dessen geplanten Reformkurs gemacht.

In den Parteien der großen Koalition in Deutschland verbindet sich mit einer klaren Mehrheit Macrons die Hoffnung auf einen Neuanfang, der Frankreich politisch wie wirtschaftlich auch als Partner in der Europäischen Union stärkt. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Freue mich über das gute Ergebnis für Emmanuel Macron." Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: "Der erneute Erfolg zeigt: Macron überzeugt - nicht nur in Frankreich, sondern auch in und für Europa!"

Macron will das Arbeitsrecht liberalisieren

Priorität hat für Macron die Reform des Arbeitsmarktes, mit dem Ziel, die Erwerbslosenquote von zuletzt 9,3 Prozent zu senken. Bis September will er das Arbeitsrecht liberalisieren. Demnach sollen die Arbeitsbedingungen künftig verstärkt in den Unternehmen selbst verhandelt werden. Die Zahl der Mitarbeitervertretungen je Betrieb soll von vier auf eine sinken. Schadenersatzzahlungen im Kündigungsfall werden gedeckelt. Die Gewerkschaften zeigten sich anfangs offen für das Vorhaben. Inzwischen haben einige aber Proteste angekündigt, die noch im Juni starten sollen.

Auch die Arbeitslosenversicherung soll ab 2018 umgebaut werden: Einerseits sollen künftig auch Selbständige Anspruch auf Leistungen erhalten. Andererseits möchte Macron den Druck auf Arbeitslose verstärken, Jobs anzunehmen. Parallel dazu will er in die Umschulung von Erwerbslosen investieren. Weitere Wirtschaftsreformen umfassen die Abschaffung bestimmter Sozialabgaben, dafür steigt für vermögende Rentner die Sozialsteuer. Im nächsten Jahr soll auch die Fusion der Rentenkassen beginnen, die bisher in viele Sonderversicherungen vor allem für den öffentlichen Dienst gegliedert sind.

Die Staatsausgaben möchte der Präsident zwar senken. Dem nationalen Rechnungshof zufolge ist dennoch fraglich, ob Frankreich 2017 die EU-Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung wieder unterschreitet. Macrons Ziel ist es, gegenüber der Bundesregierung schnell wirtschaftspolitische Zuverlässigkeit zu beweisen. Nach der Bundestagswahl, so sein Kalkül, wird er im Gegenzug von Deutschland eine Vertiefung der Euro-Zone fordern können. Erste Vorschläge dafür soll eine deutsch-französische Expertengruppe Mitte Juli vorlegen.

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SZ vom 13.06.2017
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