Frankreichs Präsident beim G-7-Gipfel:Macron, der Verführer

  • Beim G-7-Gipfel in Biarritz glänzt vor allem Frankreichs Präsident Macron mit seinem diplomatischen Geschick.
  • Durch sein Vermitteln zwischen den USA und Iran zeigt er, dass er über Verbindungen, Mut und Fingerspitzengefühl verfügt.
  • Innenpolitisch steckt sein Land trotzdem in einer Sinnkrise.

Von Nadia Pantel, Biarritz

Das Unvorhergesehene bleibt in Erinnerung. Beim Gipfeltreffen der G 20 in Hamburg 2017 waren die Bilder brennender Barrikaden so omnipräsent, dass die Politik fast unsichtbar wurde vor lauter Krawall. Als ein Jahr später die G 7 in Kanada zusammenkamen, kaperte US-Präsident Donald Trump die Berichterstattung, indem er seine Zustimmung zur Abschlusserklärung zurückzog.

Die Überraschungen, mit denen Gastgeber Emmanuel Macron beim G-7-Gipfel in Biarritz aufwarten konnte, sind anders. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Erwartungen an dieses weltpolitische Großmanöver so niedrig waren, beziehungsweise die Vorzeichen so finster, dass es schon als gute Neuigkeit gilt, wenn der Trump'sche Twitterfuror ausbleibt. Zum anderen ist die vergleichsweise hoffnungsfrohe Bilanz dieses Gipfels ein Beleg für das Geschick des französischen Präsidenten.

Die USA lassen Frankreichs Präsidenten erst einmal gewähren

Nach zweieinhalb Jahren im Amt war das Treffen in Biarritz für Macron die erste Gelegenheit, sich als einen Dreh- und Angelpunkt der Weltpolitik zu zeigen. Es hätte für ihn kaum besser laufen können. Die Kritiker blieben friedlich, sowohl draußen (Demonstranten) als auch drinnen (Trump). Und der Besuch des iranischen Außenministers Mohammad Dschawad Sarif geriet genau so, wie Macron Politik liebt: ein diplomatischer Erfolg, den man nicht per Kommuniqué präsentieren muss, sondern in Form eines Überraschungsgastes verkaufen kann. Macrons Unterredungen mit Sarif haben offenbar gewaltig Bewegung in den Atomkonflikt zwischen Iran und Europa und den USA gebracht. Am Montag kündigte Macron an, dass er nun ein Treffen Trumps mit Irans Präsidenten Hassan Rohani erwarte.

Das alles zeigt, dass Macron über die nötigen Verbindungen, den nötigen Mut und das nötige Fingerspitzengefühl verfügt, um in einer der größten internationalen Krisen als Vermittler aufzutreten. Macron hat sich den Streit mit Iran als das Projekt ausgesucht, das ihm den ersten, greifbaren diplomatischen Erfolg sichern soll. Nach dem Gipfel ist klar: Die USA haben ihn nicht sofort weggebissen, sie lassen ihn sein Glück versuchen. Wie alles, was unter der Trump-Administration geschieht, gilt auch dies nur unter Vorbehalt. Doch solange es gilt, wertet es Macrons weltpolitisches Gewicht spürbar auf.

Macron kann Menschen für sich gewinnen

Die Delegationen aus Deutschland, Großbritannien, den USA, Japan, Italien und Kanada kamen auf dem Gipfel mit demjenigen in Kontakt, den die Franzosen noch aus dem Wahlkampf kennen: Emmanuel, dem Verführer. Als Macron 2017 um die Präsidentschaft kämpfte, war "verführen" eine der häufigsten Vokabeln, mit denen seine Strategie beschrieben wurde. Macrons Art, die Menschen für sich zu gewinnen, hat nichts mit Zweideutigkeiten zu tun, sondern schlicht mit der Aufmerksamkeit, die er seinem Gegenüber widmet. Wenn man die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei ihren öffentlichen Auftritten beobachtet, sieht man eine Frau, die allem ähnlich zu begegnen scheint. In einer Art, die man je nach Sympathie zurückgenommen, stoisch oder dröge nennen kann. Jedenfalls sind die Varianzen begrenzt

Der französische Präsident hingegen kann sich mal jovial-kumpelig zeigen, wie es bei Trump oder dem britischen Premier Boris Johnson gut ankommt. Mal höflich im Umgang und hart in der Sache, wenn Unterredungen mit Merkel anstehen. Dann wieder als strenger Staatsmann in pompöser Kulisse, wenn er hofft, Putin zu beeindrucken, wie 2017 bei dessen Staatsbesuch in Versailles.

Die Journalistin Anne Fulda war eine der Ersten, die vor zwei Jahren eine Biografie des jungen Präsidenten herausbrachten. Sie beschreibt seinen Aufstieg als ein Emporhangeln von Mentor zu Mentor. Um herauszufinden, wer dieser Macron eigentlich ist, trifft sie auf eine Riege mächtiger Männer, von denen jeder dachte, er helfe dem jungen Emmanuel auf den Gipfel, nur um zu sehen, wie er dann an ihnen vorbeiklettert. Das sagt nicht nur etwas über die Eitelkeiten dieser Männer, sondern auch über den immensen Ehrgeiz und Bedeutungshunger von Macron. Die Financial Times schreibt am Montag in einer Kolumne, die den Titel trägt "Macron zum Lob", dass Frankreichs Präsident unter den G 7 der einzige ist, der noch weltpolitische Ambitionen hat. Merkel sei auf dem Rückzug Richtung Rente, Trump und Johnson nur an sich selbst interessiert, Italien in der Vollkrise, und Japan und Kanada seien ohnehin nur Spieler an der Seitenlinie. Macron hingegen sei der "letzte homme sérieux", der letzte ernst zu nehmende Politiker auf der Weltbühne.

Frankreichs Demokratie steckt in einer Sinnkrise, sagt der Präsident

Die außenpolitische Ausgangslage ist für Macron seiner innenpolitischen Lage recht ähnlich: Er profitiert von der Schwäche der alten Strukturen. Seine Macht innerhalb Frankreichs vergrößert sich, weil sich die alten Parteien auflösen. Sein Einfluss in der Welt wächst, weil alte Allianzen bröckeln. Dabei sind natürlich auch Frankreich und Macron Teil der Krise. Mit dem Zerfall des Zweiparteiensystems ist nicht nur er aufgestiegen, sondern auch die rechtsradikale Marine Le Pen. Das Land befindet sich in der innenpolitisch äußerst gefährlichen Lage, dass die Populistin Le Pen fast allein die Opposition stemmt.

Macron selbst spricht immer wieder davon: Frankreichs Demokratie stecke in einer tiefen Sinnkrise. Macron ist der Präsident eines verunsicherten Landes - doch seiner selbst ist er sich umso sicherer. In der Runde der G-7-Staatschefs ist Macron nicht der Starke unter Schwachen, er ist derjenige, der sich weigert, diese Schwäche in defensive Politik, wie Merkel es tut, oder in aggressive Politik à la Trump umzumünzen.

Am Montagabend fasst Macron in einem Fernsehinterview den Gipfel für die französischen Zuschauer, also für seine Wähler, zusammen. Dabei schauen ihm viele zu, denen es egal ist, ob Macron ein geschickter Diplomat ist oder nicht. Viele, die nicht wissen wollen, wie ihr Präsident die Globalisierung gestaltet, sondern wie er sie vor internationaler Konkurrenz schützt. Der Erfolg, der sich als rote Linie durch Macrons Leben zieht, ist für den Präsidenten nicht nur ein Vorteil. Einer der häufigsten Vorwürfe seiner Kritiker im Inneren lautet, dass ihrem Überfliegerpräsidenten die Empathie fehle. Das Vermögen, sich in diejenigen hineinzuversetzen, denen nicht alles leicht von der Hand geht.

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