Frankreich:"Kleinunternehmer des Hasses"

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Vom Antirassisten zum Holocaust-Leugner: Dieudonné, der Gottgegebene. (Foto: Patrick Kovarik/AFP)

Der französische Komiker Dieudonné M'bala M'bala macht sich über den Holocaust lustig und ließ sich einen verkappten Hitlergruß patentieren. Nun greift Frankreichs Regierung ein.

Von Christian Wernicke, Paris

Am Dienstag hat nun sogar der Präsident persönlich ein Machtwort in der "Affäre Dieudonné" gesprochen. "Die Glaubwürdigkeit der Justiz und der Staatsautorität" wähnt François Hollande in Gefahr, falls Frankreich nicht endlich dem rechtsextremistischen Komiker Dieudonné M'bala M'bala das Handwerk lege.

Dieser Dieudonné - deutsch: der "Gottgegebene" - ist in den Augen des Staatsoberhaupts schlicht ein Provokateur, der "offen antisemitische Thesen verbreitet". Hollande und sein Innenminister wiesen sämtliche Bürgermeister und Präfekten der Republik an, geplante Auftritte des bulligen Solo-Entertainers zu verbieten. Ein für Donnerstag im westfranzösischen Nantes angesetztes Spektakel wurde prompt untersagt. Dieudonnés Anwalt reichte Klage an wegen "Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung".

Seit Jahren gefällt sich der dunkelhäutige Dieudonné als selbst erklärter Tabubrecher und "schwarzes Schaf" der Kleinkunstszene. Der inzwischen 47-jährige Alleinunterhalter, Sohn einer bretonischen Mutter und eines aus Kamerun eingewanderten Vaters, profilierte sich vor 20 Jahren zunächst als linker Anti-Rassist, ehe es ihn an den rechten politischen Rand trieb.

Zu dem über YouTube millionenfach verbreiteten Repertoire dieses erklärten Holocaust-Leugners gehört das Lied von der "Shoananas", eine Wortschöpfung aus "Shoah" und "Ananas", in der Dieudonné die Erinnerung an den Massenmord der Nazis banalisiert. Einen unliebsamen Journalisten sah er kürzlich auf dem Weg in die Gaskammer. Jean-Marie Le Pen, der Gründer des rechtsextremen Front National, fungierte 2008 als Taufpate einer seiner Töchter.

Offizielles Patent für verkappten Hitlergruß

Obendrein ließ sich der "Gottgegebene" per offiziellem Patent als Erfinder der "Quenelle" registrieren. Der verkappte Hitlergruß verlangt, den rechten Arm stramm nach unten durchzudrücken und derweil die linke Hand an die rechte Schulter zu legen. Auf Facebook und Twitter mehren sich seit Wochen die Fotos junger, meist männlicher Franzosen, die vorzugsweise vor Synagogen, staatlichen Gebäuden oder sogar auf der Rampe von Auschwitz diese provokative Geste praktizieren. Viele Dieudonné-Anhänger sind Jugendliche aus den Elendsquartieren französischer Vorstädte, die ihre "Quenelle" als "Akt gegen das System" verstanden wissen wollen.

Diese "Quenelle", benannt nach einem länglichen Kalbs- oder Hecht-Klößchen, war es auch, die der Regierung Ende Dezember eine neue Handhabe gab. In Lyon hatten sich sechs jüdische Jugendliche durch eine "Quenelle" beleidigt gefühlt und den Dieudonné-Fan verprügelt.

Der sozialistische Innenminister Manuel Valls griff den Fall auf und sieht seither durch Dieudonnés Treiben "die öffentliche Ordnung" bedroht. Zugleich deutet Valls die Geste als "Beleidigung der Menschenwürde". Der Komiker sei "kein Künstler", sondern mit seinem Theaterbetrieb ein "Kleinunternehmer des Hasses".

Ermittlungen wegen Geldwäsche

Am Dienstag wurde zudem bekannt, ein Staatsanwalt in Chartres ermittle gegen Dieudonné wegen Geldwäsche und betrügerischen Bankrotts. Die Justiz hat Hinweise, der Künstler habe seit 2009 mehr als 400.000 Euro nach Kamerun geschafft.

Weil Dieudonné wegen antisemitischer Provokationen in sieben Fällen rechtskräftig zu Geldstrafen von insgesamt mehr als 65.000 Euro verurteilt worden ist, nennt Valls seinen Widersacher "einen Wiederholungstäter" und greift präventiv ein. Per Rundschreiben ordnete er an, seine Präfekten, die Vertreter der Pariser Zentralregierung in den Départements, sollten Dieudonnés diese Woche beginnende Tournee stoppen und sämtliche Auftritte verbieten.

Dafür ernten Valls und die Regierung zwar Beifall von jüdischen Organisationen und von Anti-Rassismus-Gruppen. Aber Frankreichs Liga für Menschenrechte (LDH) warnt, Valls' Vorgehen sei "kontraproduktiv": Valls mache Dieudonné in den Augen vieler Mitbürger zum Opfer. Zwar verurteilt auch die LDH die Ausbrüche des Komikers, sorgt sich aber um den Schutz der Grundrechte: Der Innenminister schaffe per Verordnung neues Recht und bestrafe Dieudonné bereits, ehe dieser aufgetreten sei.

© SZ vom 08.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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