Süddeutsche Zeitung

Frankreichs Innenminister Darmanin:Der Mann, den die Islamisten fürchten sollen

Innenminister Gérald Moussa Darmanin ist Enkel eines algerischen Einwanderers und sagt: Der "politische Islam" sei der "Todfeind der Republik".

Porträt von Nadia Pantel

Frankreichs Innenminister erzählt gern die Geschichte seines zweiten Vornamens. Er hat ihn von seinem algerischen Großvater Moussa Ouakid. Als Gérald Moussa Darmanin am 6. Juli das Innenministerium übernimmt, schreibt er auf Twitter, dies sei für ihn als "der Enkel eines Einwanderers, der ich bin", eine "große Ehre". In seinem ersten Auftritt vor dem Senat erklärte der 38-Jährige: "Mein Großvater betete zu Allah und trug die Uniform der Republik." Zugleich betonte der neue Innenminister schon damals, dass er den "politischen Islam" für einen "Todfeind der Republik" halte.

Die Rolle, die Darmanin früh für sich wählte, beginnt er nun voll auszufüllen: Er ist der Mann, den die Islamisten fürchten sollen. Und er ist bereit, die Grenze, was als Islamismus gilt, sehr früh zu ziehen. Sein verstorbener Großvater fungiert dabei als Bürge, dass Darmanin keine Aversionen gegen Muslime hegt. Zudem steht Moussa Ouakid für Darmanins Idealbild der patriotischen Pflichterfüllung. Ouakid kämpfte 1944 für die Befreiung Frankreichs vom deutschen Nationalsozialismus, als algerischer Soldat unter französischem Kommando. Im Algerienkrieg hätte Ouakid gerne wieder an der Seite Frankreichs gekämpft, doch wegen seines fortgeschrittenen Alters blieb er bei Frau und Kindern.

Für seine erste Dienstreise wählte Innenminister Darmanin einen symbolträchtigen Ort. Er fuhr nach Magnanville, wo ein Islamist 2016 ein Polizistenpaar vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes getötet hatte. Die Botschaft: Der Schutz der Polizei und der Kampf gegen islamistischen Terror stehen oben auf Darmanins Prioritätenliste. Nun hat die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty allen Franzosen wieder in Erinnerung gerufen, zu welchem Horror die Fanatiker bereit sind. Paty starb am 16. Oktober, weil er die Werte der Republik vermittelte.

Darmanin reagiert auf den Mord mit martialischen Worten. "Die Gegner der Republik erhalten nicht eine Minute Verschnaufpause", sagte der Minister. Ins Visier nahm er vor allen Dingen muslimische Vereine, denen vorgeworfen wird, gegen den Staat zu agitieren. Außerdem versprach Darmanin die Abschiebung von 231 Ausländern, die als terroristische Gefährder eingestuft werden. Ein Plan, an dessen Umsetzung die Exekutive schon länger scheitert.

Am Dienstagabend ging Darmanin einen Schritt weiter. In einer Talkshow sagte der Innenminister, er sei "schockiert" vom "kommunitaristischen Regal" in Supermärkten. Auf Nachfrage, ob er dagegen sei, dass Muslime oder Juden ihren religiösen Praktiken entsprechend einkaufen könnten, wehrte Darmanin ab. Er kaufe selbst bei einem Halal-Schlachter, er sei nur dagegen, dass "große Unternehmen mit dem Kommunitarismus Geld machen". Auch "Kapitalisten" hätten eine "patriotische Verantwortung". Darmanins Ausführungen zogen Spott und Wut nach sich. Aktuell läuft in Paris der Charlie-Hebdo-Prozess, in dem es auch um die Geiselnahme in einem koscheren Supermarkt geht, bei der 2015 vier Menschen getötet wurden, weil sie Juden waren. Und entsprechende Produkte kauften.

Darmanins Berufung zum Innenminister war von Beginn an sehr umstritten. Gegen den Berufspolitiker läuft ein Verfahren wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs. Darmanin ist als Innenminister Chef der Behörden, die gegen ihn ermitteln. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verteidigte Darmanin damit, dass "die Unschuldsvermutung" gelten müsse.

Vor seinem Aufstieg zum Innenminister war Darmanin Minister für öffentliche Gelder und gleichzeitig Bürgermeister von Tourcoing, eigentlich die Art Ämterhäufung, die Macron abschaffen wollte. Zu Darmanins frühen Förderern gehört der Konservative Nicolas Sarkozy, der ebenfalls als Innenminister anfing, bevor er 2007 Präsident wurde. Als Darmanin im August heiratete, standen sowohl Sarkozy als auch Macron auf der Gästeliste.

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