Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Macron präsentiert sein Wahlprogramm

Frankreichs parteiloser Präsidentschaftskandidat präsentiert sich als EU-Freund - und Tabubrecher in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik.

Von Leo Klimm und Christian Wernicke, Paris

Frankreichs sozialliberaler Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron wirbt für mehr Europa und für eine neue Partnerschaft mit Deutschland. Er wolle "den europäischen Traum neu erwecken", sagte der 39-jährige Ex-Wirtschaftsminister am Donnerstag bei der Vorstellung seines Wahlprogramms. Macron möchte die Euro-Zone vertiefen und die Währungsunion mit einem eigenen Budget ausstatten. Der Kandidat kündigte an, er wolle gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit marktorientierten Reformen etwa des Arbeitsmarkts "die Glaubwürdigkeit Frankreichs in den Augen der Deutschen" wiederherstellen. Im Gegenzug erwartet Macron von Berlin mehr Investitionen für europaweites Wachstum: "Ich werde den Deutschen sagen: Europa braucht eine Politik der Solidarität und der Wiederbelebung."

Umfragen räumen dem parteilosen Macron Siegeschancen bei der Stichwahl am 7. Mai ein. Seine vor elf Monaten gegründete Bewegung "En Marche" hat inzwischen 200 000 registrierte Anhänger. Macron verhieß seinen Landsleuten "einen radikalen Umbau", der "mehr Freiheit und mehr Schutz" miteinander verbinde.

Macron schwebt ein neuer Euro-Haushalt vor, der bei Krisen wie in Griechenland einspringt

Macron ist der einzige Kandidat, der klar für die Vertiefung Europas eintritt. So will er eine europäische Verteidigungspolitik aufbauen und eine EU-Grenzpolizei. Ihm schwebt "ein Europa verschiedener Geschwindigkeiten" vor, in dem integrationswillige Länder vorangehen.

Kern seiner Überlegungen ist der Ausbau der Währungsunion. Ein neuer Euro-Haushalt neben dem bisherigen EU-Budget solle helfen, wirtschaftliche Ungleichgewichte in der Euro-Zone zu lindern. Die Mittel würden von einer Art Wirtschaftsregierung verwaltet, die wiederum von einem Euro-Parlament kontrolliert würde. Macron erklärte, der neue Euro-Haushalt müsse "wirkliches, zusätzliches Geld" mobilisieren. Er kritisierte Europas Austeritätspolitik etwa in Griechenland als "zu brutal". Schon als Wirtschaftsminister hatte er gefordert, die Euro-Zone zur "Transferunion" auszubauen. Die Bundesregierung hat dies bisher abgelehnt.

Für Frankreich verspricht Macron eine Senkung des Staatsdefizits, das künftig deutlich unter der EU-Vorgabe von drei Prozent der Wirtschaftsleistung bleiben soll. Dazu plant er Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben in Höhe von 60 Milliarden Euro jährlich. Zugleich will er über fünf Jahre 50 Milliarden Euro an Investitionen aufbringen, die etwa in die Ausbildung benachteiligter Jugendlicher oder in den Ausbau alternativer Energieträger im Atomland Frankreich fließen sollen.

Fillons Wohnung

Ermittler der französischen Polizei haben am Donnerstag die Pariser Wohnung des konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon und seiner Frau Penelope durchsucht. Fillon steht seit Wochen in der Kritik, weil er seine Ehefrau und zwei seiner Kinder zum Schein beschäftigt und mit Staatsgeld bezahlt haben soll. Er lehnt es trotz fallender Umfragewerte weiter ab, seine Kandidatur niederzulegen. sz

Von den linken Präsidentschaftsbewerbern grenzt sich Ex-Banker Macron besonders durch die sozialpolitischen Vorschläge ab. Brisant ist der Plan, Sonder-Rentenversicherungen schrittweise abzuschaffen, die Beschäftigte im öffentlichen Dienst und bei Staatsbetrieben besserstellen als die privater Firmen. "Das wird das Ende der Ungleichheit", so Macron. 1995 hatte eine konservative Regierung bereits die Angleichung der Rentenregime versucht - und war am Widerstand der Straße gescheitert. Macron forderte auch die Streichung von 120 000 Beamtenstellen.

Als "Herz" seines Programms sieht Macron die Reform der Arbeitslosenversicherung. Sie soll - mit der erhofften Belebung der Konjunktur - eine Senkung der Erwerbslosenquote von heute zehn auf sieben Prozent ermöglichen. Einerseits will Macron Selbständigen ebenso wie Angestellten, die selbst gekündigt haben, Anspruch auf Arbeitslosengeld einräumen. Diesen kostspieligen Rechten sollen strenge Auflagen zur Annahme von Jobs gegenüberstehen. Den Sozialpartnern möchte Macron mehr Freiheit zur Verhandlung betrieblicher Bündnisse geben. Wirtschaftsfreundlich ist auch die angekündigte Senkung der Steuern für Unternehmen und auf Kapitalerträge. Ein Geschenk an fast alle Franzosen soll hingegen die faktische Aufhebung einer Wohnungssteuer sein.

Macrons Programm wurde sofort scharf angegriffen. Vom linken Flügel der Sozialisten wie vom rechtsextremen Front National (FN) kam der Vorwurf, der Ex-Minister wolle nur die Reformpolitik von Präsident François Hollande fortsetzen - aber ohne, wie Hollande, dabei gemäßigt vorzugehen. Auch der europafreundliche Kurs wurde angegriffen: "Macron verschlimmert Frankreichs Unterwerfung durch die EU", so ein FN-Vize.

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SZ vom 03.03.2017
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