Frankreich:Hollandes heikle Bitte um Beistand

French President Hollande adresses parliament on Paris attacks re

Kritisch wird es, sollte die französische Regierung in Europa irgendwann Unterstützung für ihren Krieg gegen den IS in Syrien einfordern.

(Foto: dpa)

Es ist verständlich, dass der französische Präsident bei den EU-Partnern Militärhilfe anfordert. Klug aber ist es nicht.

Kommentar von Hubert Wetzel

Frankreich sieht sich im Krieg mit der Terrormiliz Islamischer Staat. In diesem Krieg hat sich die französische Regierung nun mit der Bitte um militärische Hilfe an ihre europäischen Partner gewandt, unter Berufung auf die Beistandsklausel in Artikel 42 des Lissaboner Vertrags. Das ist verständlich. Ob es auch klug war, ist eine ganz andere Sache.

Im Moment kann man nur in Umrissen erkennen, was François Hollande vorhat. Offenbar meint der französische Präsident es ernst mit seiner Ankündigung, "erbarmungslos" mit aller militärischen Härte auf den IS loszugehen. Offenbar will er dazu ein UN-Mandat erwirken und eine Allianz mit den USA und Russland schmieden. Und offenbar will er nicht dulden, dass die anderen Europäer sich nach ein paar Beileidsbekundungen wegducken. Wer nach dem Terror in Paris Solidarität mit Frankreich zeigen will, so die Forderung Hollandes, der soll mit Frankreich kämpfen.

Das muss zunächst nicht in Syrien sein. Frankreich hat in vielen Krisengebieten Soldaten stehen; diese Bürde will Hollande mit Europa teilen, um selbst in Syrien härter zuschlagen zu können. Er weiß freilich auch, dass die meisten Europäer wenig Lust auf gefährliche Einsätze an Orten wie Mali oder Zentralafrika haben. Sich auf die Beistandsverpflichtung im EU-Vertrag zu berufen, ist für Hollande wohl die einzige Möglichkeit, um von den Partnern rasch nennenswerte militärische Entlastung an anderen Fronten zu erzwingen.

Hollandes Entscheidung könnte Europa spalten und lähmen

Sehr viel kritischer wird es, sollte die französische Regierung in Europa irgendwann Unterstützung für ihren Krieg gegen den IS in Syrien einfordern. Die Hilfe zu verweigern, hieße, einen attackierten Freund im Stich zu lassen. Gerade Deutschland, Frankreichs engster Verbündeter in Europa, kann und darf das nicht tun.

Gleichzeitig aber ist in Europa durchaus umstritten, ob Gewalt das geeignete Mittel gegen den IS ist. Hollande hat ja miterlebt, wie sein Wort vom "Krieg" sogleich - und auch in Berlin - als überdrehtes Gerede abgetan wurde. Die Bundeswehr in Syrien? Kaum denkbar.

Frankreich hat jede Solidarität, jede Art von Beistand verdient. In dem Moment aber, in dem Hollande nicht mehr nur um Entlastung in Afrika, sondern um Beteiligung an einem Krieg in Syrien bittet, dürfen die um Hilfe Gebetenen auch ein paar Fragen stellen: Wer führt diesen Krieg - Frankreich allein, oder können die anderen mitreden? Was ist das Ziel - Rache für Paris oder der Sieg über den IS? Und was bedeutet Sieg, wenn man gegen ein amorphes Terrorgebilde kämpft? Was ist die Strategie - soll man sich jetzt tatsächlich mit dem syrischen Diktator und Giftgasmörder Baschar al-Assad gemein machen, um die Mörderbanden des IS zu bekämpfen, wie es in Paris erwogen wird?

All diese Fragen sind offen. Und vermutlich würde es in Europa über jede Antwort auch heftigen Streit geben. Hollandes Entscheidung, den "EU-Bündnisfall" auszurufen, könnte sich deswegen als Fehler erweisen: Im Ernstfall wird sie Europa spalten und lähmen.

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