Frankreich:Hollandes Affäre blockiert den politischen Neustart

Frauengeschichten statt politischer Befreiungsschlag: Präsident Hollande will der internationalen Presse heute eigentlich erklären, wie er Frankreich aus der Wirtschaftskrise führen will. Doch die Journalisten interessieren sich vor allem für sein Privatleben.

Von Lilith Volkert

Mehr als 600 Journalisten aus aller Welt lauschen gespannt, als der Präsident endlich auf seine Geliebte zu sprechen kommt. Es sei "etwas Ernstes", sagt der Staatsmann, nachdem er über die Reform der 35-Stunden-Woche referiert und die Strategie für die Kommunalwahlen erläutert hat. Und: Ja, sie wollten heiraten.

Nicolas Sarkozy belebte die traditionelle Pressekonferenz des französischen Präsidenten zum Jahresanfang 2008 mit der Ankündigung, dass er das ehemalige Modell Carla Bruni zu ehelichen gedenke. Die Presse spottete daraufhin über den Präsidenten, der mit seinem Liebesleben hausieren gehe. Nicht zuletzt deshalb trat der Sozialist François Hollande vier Jahre später als betont "normaler" Präsident im Wahlkampf gegen Sarkozy an - mit dem Versprechen, die Franzosen nicht mit seinem Privatleben zu behelligen.

Gelungen ist ihm das nicht. Auch Hollande wird sich heute vor mehreren Hundert Journalisten zu einer Frau äußern müssen. Seit das Magazin Closer am Freitag seine Affäre mit der Schauspielerin Julie Gayet öffentlich machte und Hollandes Lebensgefährtin Valérie Trierweiler in eine Klinik eingeliefert wurde, spekulieren auch seriöse Medien über die Konsequenzen dieser Liebelei.

Hollandes Kollegen geht das Verständnis aus

Offiziell heißt es im Élysée-Palast zwar immer noch, dass das Treffen von Präsident und Presse auf keinen Fall von der Angelegenheit beeinflusst werden solle. Doch Hollande wird sich vermutlich trotzdem auf einige pikante Fragen vorbereiten.

Francois Hollande

François Hollandes Privatleben wird Gegenstand des öffentlichen Interesses

(Foto: dpa)

Dabei gäbe es wirklich Wichtigeres zu besprechen: Frankreichs Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit sinkt nicht, wie Hollande es versprochen hatte. In seiner Neujahrsansprache hat der Präsident ein "Jahr schwerer Entscheidungen" angekündigt und von einem "Pakt der Verantwortung" mit der Wirtschaft gesprochen. Was genau das bedeutet, will er an diesem Dienstag präzisieren. Beobachter erwarten, dass Hollande auf einen sozialliberalen Kurs umschwenken will, den riesigen Beamtenapparat verkleinern, Sozialleistungen abbauen wird. Es wäre ein revolutionäres Vorhaben. In Frankreich werden dringend nötige Reformen seit Jahren nicht angegangen. Aus Hollandes furiosem politischen Neustart wird nun aber vermutlich nichts.

Inzwischen sinkt auch bei den vergleichsweise toleranten französischen Politikern das Verständnis für Hollandes amourösen Eskapaden. Oppositionsführer Copé nannte die Berichte "desaströs für das Image des Präsidentenamtes". Auch Hollandes Parteifreunde empfehlen ihm, die Sache so schnell wie möglich in Ordnung zu bringen. Bisher hat der Präsident sich in der Sache auf seine Privatsphäre berufen.

Die Franzosen lässt das Techtelmechtel ihres unverheirateten Präsidenten allerdings eher kalt. Nach einer Umfrage des Journal du dimanche haben nur 13 Prozent durch die Veröffentlichung einen schlechteren Eindruck von ihrem Staatschef bekommen. Für 84 Prozent bleibt das Bild, das sie von ihrem Präsidenten haben, unverändert - und zwar schlecht. Hollande ist und bleibt der unbeliebteste Präsident seit mehr als 50 Jahren.

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