Französisch:Zwei Punkte zu viel

Französisch: "Hürde für das Erlernen unserer Sprache": Frankreichs Bildungsminister Jean-Michel Blanquer will nicht, dass an Schulen Gender-Schreibweisen benutzt werden.

"Hürde für das Erlernen unserer Sprache": Frankreichs Bildungsminister Jean-Michel Blanquer will nicht, dass an Schulen Gender-Schreibweisen benutzt werden.

(Foto: Alain Jocard/AFP)

In Frankreich ist Gendersprache offiziell verboten. Doch auch dort wandeln sich manche Ausdrucksweisen.

Von Nadia Pantel

Die Rolle des Sterns übernimmt im Französischen der Punkt. Er soll es ermöglichen, Worte so zu schreiben, dass sie gleichzeitig die männliche und die weibliche Form einer Bezeichnung sichtbar machen. Allerdings reicht im Deutschen ein Stern pro Wort aus, um männliche und weibliche Form gemeinsam unterzubringen: Wähler*innen zum Beispiel. Im Französischen hingegen verändern die meisten Wörter in ihrer weiblichen Form auch die Endung, man kann also nicht einfach wie im Deutschen die Endung "-innen" anhängen, sondern muss zwei verschiedene Wortendungen sichtbar machen. Dafür reicht nicht ein Stern, dafür braucht es zwei Punkte. Aus "électeurs", Wähler, wird dann: "électeur.rice.s". Ein aus "électeur" und "électrice" (Wählerin) zusammengebautes Wort, das den Regeln der "inklusiven Schreibweise" folgt, wie gendernde Sprache in Frankreich genannt wird.

Bildungsminister Jean-Michel Blanquer hat diese Art der Wortneuschöpfungen im Mai verbieten lassen, sie sollen an den Schulen nicht verwendet werden. Allerdings geht es bei dem Verbot allein um die geschriebene Sprache, es gibt, anders als im Deutschen, keine Wörter, in denen durch eine Sprechpause markiert wird, dass männliche und weibliche Form gemeint sind. Blanquer begründet das Verbot der "inklusiven Schreibweise" damit, dass sie "eine Hürde für das Erlernen unserer Sprache" darstellt. Vor Blanquer hatte bereits 2017 der damalige Premierminister Édouard Philippe die gendernden Punkte im Satz für amtliche Schreiben verbieten lassen.

Doch diese Verbote bedeuten nicht, dass es in Frankreich keinen Streit darüber gäbe, inwieweit Sprache Ungleichheiten transportiert. Ganz so einig wie Blanquer und Philippe ist sich der Rest der Regierung nicht. So verwendet die Ministerin für Chancengleichheit in all ihren Schreiben eine gendernde Sprache. Und Präsident Emmanuel Macron achtet in seinen Reden immer wieder auf eine Sprache, die weibliche Formen zusätzlich markiert. So sagt der Präsident zum Beispiel nicht einfach "jeder", sondern "jede und jeder".

Viele Franzosen benutzen nicht mehr nur das generische Maskulinum

Auch wenn die Punkte im Wort inzwischen zum Symbol der "inklusiven Schreibweise" geworden sind, zeigt sich in ihnen nur ein Teil des sprachlichen Wandels. So wie Macron bemühen sich viele Franzosen, nicht mehr nur das generische Maskulinum zu verwenden. Zu Beginn von Veranstaltungen heißt es nicht mehr, "Bienvenue à tous", allen ein herzliches Willkommen, "sondern "bienvenue à tous et à toutes". Denn letztere Form, also "toutes" für "alle", sieht das Französische vor, wenn es sich um Frauen handelt. Eine Form, die also auch Gegner von Gendersprache verwenden, wenn sie sich an Frauengruppen richten, da es die grammatikalisch korrekte Ansprache ist.

Steht in dieser Frauengruppe jedoch ein einzelner Mann, wird die Gruppe in ihrer Gesamtheit wie eine Gruppe Männer angesprochen. So schreibt es die Académie française, Frankreichs Hüterin der Sprache, seit dem 17. Jahrhundert vor. Das Gendern halten die Gelehrten der Akademie für falsch, es führe zu einer Unleserlichkeit und Unübersichtlichkeit. Feministische Linguistinnen werfen der Akademie vor, die Sprache gezielt vermännlicht zu haben. So sei es im Mittelalter in Frankreich üblich gewesen, männliche und weibliche Berufsbezeichnungen zu verwenden. Als Feministinnen 1986 forderten, Frauen zum Beispiel Abgeordnete und nicht Abgeordneter zu nennen, war die Akademie entschieden dagegen. Erst seit 2019 erkennt sie weibliche Berufsbezeichnungen an.

Auch wenn über "inklusive Schreibweise" regelmäßig gestritten wird, so präsent und unerbittlich wie in Deutschland sind die Auseinandersetzungen nicht. Zudem spielen, anders als im Nachbarland, nicht-binäre Personen und eine ihnen angemessene Sprache in den Debatten kaum eine Rolle.

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