Proteste der "Gelben Westen":"Keine Steuer ist es wert, die Einheit der Nation zu gefährden"

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  • Frankreichs Regierung will die angekündigte Erhöhung der Ökosteuer für mehrere Monate aussetzen.
  • Das bestätigte der Premierminister in einer TV-Ansprache.
  • Der Regierungschef kündigte zudem an, dass die Tarife für Elektrizität und Gas während des Winters nicht angehoben werden sollen.
  • Den "Gelben Westen" reicht das nicht. Sie fordern breite Steuersenkungen sowie die Erhöhung von Löhnen und Renten.
  • Die Opposition im französischen Parlament fordert ein Referendum oder die Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen.

Im Konflikt mit der Protestbewegung der "Gelben Westen" will die französische Regierung die zum 1. Januar angekündigte Erhöhung der Ökosteuer auf Diesel und Benzin vorerst nicht einführen. Das bestätigte Premierminister Édouard Philippe in einer Fernsehansprache. Der Regierungschef kündigte zudem an, dass die Tarife für Elektrizität und Gas während des Winters nicht angehoben werden sollen.

Die Regierung will nach wochenlangen Protesten und nach den Ausschreitungen am Wochenende die Lage deeskalieren. "Keine Steuer ist es wert, die Einheit der Nation zu gefährden", sagte Philippe.

Eine allgemeine Steuersenkung, wie sie die "Gelben Westen" fordern, schloss der Regierungschef vorerst aus. "Wenn die Steuern sinken, müssen auch die Ausgaben sinken", betonte Philippe. "Wir wollen unseren Kindern keine Schulden hinterlassen", sagte er.

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Von Leila Al-Serori und Jana Anzlinger

Die Proteste gegen hohe Kraftstoffpreise, Steuern und Lebenshaltungskosten halten nun schon seit etwa zweieinhalb Wochen an. Mehrere Zehntausend Menschen demonstrierten gegen die Politik von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Proteste der "Gelben Westen" hatten sich an der geplanten Erhöhung der Ökosteuer für Kraftstoff entzündet. "Man müsste taub oder blind sein, um diese Verärgerung nicht wahrzunehmen", sagte Philippe.

In den vergangenen Tagen hatte es vor allem in Paris schwere Ausschreitungen gegeben. Am Montag wurden zwei "Gelbe Westen" wegen Ausschreitungen in der zentralfranzösischen Stadt Le Puy-en-Velay zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. In Le Puy-en-Velay war am Samstagabend am Rande der Proteste die Präfektur in Brand gesetzt worden.

Nach einem Krisentreffen von Präsident Emmanuel Macron, Philippe und mehreren Ministern im Élysée-Palast war bereits am Montagabend aus dem Umfeld der Regierung verlautet, der Premierminister wolle rasch "Maßnahmen" verkünden.

Jean-François Barnaba, Vertreter der "Gelben Westen" sagte dem Sender France Inter, nötig seien breite Steuersenkungen sowie die Erhöhung von Löhnen und Renten, um den Franzosen wieder ein würdiges Leben zu ermöglichen. Viele Menschen müssten mit 800 bis 900 Euro im Monat auskommen. "So kann man nicht leben", sagte der Aktivist aus dem zentralfranzösischen Indre.

Auch Teile der Opposition wiesen den Vorstoß der Regierung zurück. Von den konservativen Republikanern hieß es, der Aufschub für die Ökosteuer sei "absolut unzureichend". Die Rechtspopulistin Marine Le Pen erklärte, in dem Vorschlag zeige sich die "Verachtung" der Regierung von Präsident Emmanuel Macron für die Franzosen.

Die Konservativen fordern ein Referendum als Antwort auf die "Gelbwesten"-Proteste, die Rechtspopulisten und die Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich) eine Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen.

Am Abend zuvor hatten Vertreter der Protestbewegung ein für Dienstag geplantes Treffen mit Philippe kurzfristig abgesagt. Zwei Vertreter der "Gelben Westen" gaben "Sicherheitsgründe" für die Absage an: Sie seien von Hardlinern bedroht worden, weil sie mit Regierungsvertretern sprechen wollten. Die Delegation der Aktivisten, die Philippe treffen wollte, wird nicht von allen Teilnehmern der Bewegung anerkannt.

© SZ.de/afp/Reuters/saul - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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