Frankreich: Front National:Charmant und rechtsextrem

Eine Nachfolgerin für das hässliche Gesicht der extremen Rechten in Frankreich: Marine Le Pen schickt sich an, Nachfolgerin ihres Vaters zu werden und den Front National zu führen.

Gerd Kröncke

Sie ist das charmante Gesicht der extremen Rechten in Frankreich. Am Sonntag wird sich weisen, ob Marine Le Pen fähig ist, für die Rechtsextremen einen Triumph zu erzielen - wie bescheiden der auch sein mag.

Frankreich: Front National: Kommt bei Frankreichs Wählern an: Marine Le Pen.

Kommt bei Frankreichs Wählern an: Marine Le Pen.

(Foto: Foto: Reuters)

Die 40 Jahre alte Frau, der die Ausfälle ihres doppelt so alten Vaters mit der Zeit immer peinlicher werden, hat eine ernst zu nehmende Chance, oben im Norden Frankreichs einen Bürgermeisterposten zu erobern und damit die Partei Front National (FN) aus dem Tief zu holen.

In Hénin-Beaumont, einer 16.000-Einwohner-Kommune östlich von Lens, die seit Jahrzehnten von Kommunisten oder Sozialisten beherrscht wurde, steht die Linke mit dem Rücken zur Wand und fürchtet sich vor der Blonden aus Neuilly-sur-Seine.

Der alte Haudegen Jean-Marie Le Pen, der auf dem linken Auge blind ist, hat die Partei fast vier Jahrzehnte geführt. Er ist das hässliche Gesicht der extremen Rechten, manchmal zeigt er sich offen antisemitisch, oft fremdenfeindlich, immer anti-liberal. Die Partei ist gelegentlich totgesagt worden, die 6,3 Prozent bei den Europawahlen waren wieder dürftig.

Andererseits hat die Front National unter Le Pen ein paar Triumphe erlebt. In den neunziger Jahren reüssierte die Partei im Süden: Toulon, Marignane und Vitrolles wurden von FN-Rechtsextremen regiert. Seinen größten persönlichen Erfolg erlebte Le Pen, als er 2002 bei der Präsidentschaftswahl den Sozialisten Lionel Jospin aus dem Rennen warf und erst in der Stichwahl gegen Jacques Chirac verlor.

Nun hat Tochter Marine die besten Aussichten, Nachfolgerin ihres Vaters zu werden, falls der Alte im nächsten Jahr wirklich abtreten sollte. Mit ihm zusammen sitzt sie auch wieder im Europaparlament. Der Dritte im FN-Bunde ist der Lyoner Hochschullehrer Bruno Gollnisch, der sich ebenfalls seit vielen Jahren als Kronprinz sieht.

Doch fehlt es dem Partei-Vize Gollnisch, so sieht es sogar der Chef, am nötigen Charisma. Ideologisch, bis hin zur Holocaust-Leugnung, steht er Le Pen näher als es die Tochter tut. Die Existenz von Konzentrationslagern räume er wohl ein, sagte er gelegentlich, aber über die Zahl der Toten müsse die Geschichtswissenschaft diskutieren und "was die Existenz der Gaskammern angeht, so müssen Historiker darüber entscheiden". Töne, die Marine schon am Vater abgestoßen haben.

An diesem Sonntag, wenn in Hénin-Beaumont ein neues Gemeindeparlament gewählt wird, könnte sie sich, neben dem Mandat in Straßburg, ein weiteres politisches Standbein schaffen. In dem Wahlkreis war sie schon bei den Parlamentswahlen in die Endausscheidung gekommen und hatte mit mehr als 40 Prozent respektabel abgeschnitten. Das Departement Pas de Calais gehört zu den proletarischen Landstrichen Frankreichs, dort haben die Kumpel jahrzehntelang Kohle aus der Erde geholt.

Ein ehrlicher Schlag lebt hier, man wählte links, weil der Vater schon links gewählt hatte - zumindest bis zur vorigen Kommunalwahl, als der Genosse Bürgermeister wieder eine klare Mehrheit bekam. Zwar waren die Linken, wie anderswo auch, untereinander zerstritten, aber der Kandidat Gérard Dalongeville, den die Sozialisten aus der Partei ausgeschlossen hatten, setzte sich zweimal gegen den offiziellen sozialistischen Bewerber durch, bis sie ihn voriges Jahr wieder aufnahmen. Seit April dieses Jahres kann er seine Amtsgeschäfte nicht mehr wahrnehmen, er sitzt in Untersuchungshaft.

Unterschlagung, Dokumentenfälschung, Korruption

Er und seine linke Crew, so lautet der Vorwurf, haben Stadt und Steuerzahler um mindestens 900000 Euro betrogen, die Staatsanwaltschaft glaubt sogar, dass es noch mehr sein könnte - bis zu vier Millionen. In Rede steht die Unterschlagung öffentlicher Gelder, Dokumentenfälschung und Korruption. Da wurden Rechnungen von der Stadt bezahlt, ohne dass es eine Gegenleistung gegeben hätte, Firmen wurden Aufträge zugeschustert, die von den eigenen Angestellten besser und billiger hätten ausgeführt werden können. Kein Wunder, dass bei so viel Korruption das Geld in der Kasse fehlte und die Gemeinde die örtlichen Steuern erhöhen musste. Wütend und verbittert haben sich die Wähler den Rechtsextremen zugewandt.

Der junge Sozialist Pierre Ferrari, der als Erster massive öffentliche Vorwürfe erhoben hatte, war seines Postens als Vize-Bürgermeister enthoben worden. Er ist jetzt der Einzige, der bei der Wahl eine reale Chance hat, gegen Marine Le Pen zu gewinnen. Im ersten Wahlgang lag sie mit knapp vierzig Prozent klar in Front. Ferrari bekam nur knapp über zwanzig Prozent.

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