Mit einer doppelten Verfassungsänderung will Präsident François Hollande den französischen Staat ermächtigen, Terroristen härter denn je zu bekämpfen. Eine neue Notstandsklausel in der Verfassung soll künftig als Rechtsgrundlage dienen, um drakonische Sicherheitsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen, Ausgangssperren oder Hausarreste ohne richterliche Anordnung zu legitimieren.
Für weitaus mehr Aufregung sorgte am Mittwoch jedoch eine zweite, eher symbolische Reform: Die sozialistische Regierung schlug vor, wegen Terrorismus verurteilten Landsleuten solle fortan die französische Staatsbürgerschaft aberkannt werden können. Voraussetzung dafür wäre, dass der oder die Ausgebürgerte noch eine zweite Staatsangehörigkeit besitzt. Dies stieß sofort auf Proteste der Linken, da die Ächtung in der Praxis fast nur Franzosen maghrebinischer Herkunft treffen würde.
Hollande greift die Forderung des Front National auf
Präsident Hollande hatte unmittelbar nach den Pariser Anschlägen vom 13. November mit 130 Todesopfern den Notstand ausgerufen. Drei Tage später forderte er dann vor dem Kongress eine Verfassungsreform, um die Freiheitsbeschränkungen des Notstands rechtsstaatlich abzusichern. Bisher genügt dazu ein Gesetz mit einfacher Parlamentsmehrheit.
Élysée-Berater ließen durchblicken, angesichts der Wahlerfolge des rechtsextremen Front National wolle man solidere Regeln in der Verfassung verankern. Deren Reform verlangt die Zustimmung von drei Fünftel aller Parlamentarier im Kongress. Die linke Regierung musste also einen Kompromiss mit der rechten Opposition suchen.
Als Geste griff Hollande deshalb erstmals die Forderung von Republikanern und Front National auf, als Franzosen geborene Terroristen auszubürgern (und dann auszuweisen). Überraschend erklärte auch der Staatsrat in einem Schnellgutachten die Reform für legitim. Nun jedoch schwollen die Proteste vom linken Flügel der Regierungsmehrheit an, und noch am Montag ließ Justizministerin Christiane Taubira ihre massiven Bedenken durchblicken. Die streitbare Linke ließ sogar wissen, die Ausbürgerung sei vom Tisch. Prompt verhärteten sich die Republikaner: Ohne eine Aberkennung der Staatsbürgerschaft, so ließen Vertraute von Ex-Präsident Sarkozy wissen, werde man die Verfassungsänderung scheitern lassen.
Hollande, ohnehin als Zauderer beleumdet, drohte eine Blamage. Der Präsident sah sich am Mittwoch im Kabinett zu einem Machtwort gezwungen. Und Premierminister Manuel Valls, der noch vorige Woche selbst Zweifel an der abschreckenden Wirkung einer Ausbürgerung für Islamisten geäußert hatte, leugnete schneidig alle Bedenken: "Es gilt die Kraft des Wortes des Präsidenten der Republik."
Alle 10 500 als Islamisten Verdächtigte einzusperren, lehnte Hollande ab
Im Spektakel ums Symbolische geriet der eigentliche Anti-Terror-Kampf aus dem Blickfeld. Premier Valls sagte, mehr als 1000 Franzosen seien als Gotteskrieger nach Syrien und in den Irak gezogen, etwa 250 seien mittlerweile zurückgekehrt. Valls bestätigte die Gefahr, dass manche dieser Heimkehrer "terroristische Aktionen auf französischem Boden vorbereiten". Die Regierung erwägt offenbar, verurteilte Terroristen nach Ablauf ihrer Gefängnisstrafen in Sicherheitsverwahrung zu behalten.
Jedoch lehnte der Premier die Forderung rechter Republikaner ab, künftig alle etwa 10 500 Verdächtigen präventiv zu internieren, die nach Erkenntnissen des Inlandsgeheimdienstes über Kontakte zur islamistischen Szene verfügten und deshalb mit einem "Fiche S" (S für Staatssicherheit) erfasst seien. Menschenrechtler hatten diese Idee als "französisches Guantanamo" gegeißelt.
Seit Beginn des Notstands vor 40 Tagen haben Polizei und Gendarmerie bei 2940 Hausdurchsuchungen 443 Schusswaffen beschlagnahmt. 312 Personen wurden zeitweise unter Hausarrest gestellt, darunter auch militante Öko-Aktivisten. Französische Medien berichten vermehrt von Fehlgriffen und Polizeigewalt. Seit Mitte November wurden nur eine Handvoll neuer Strafverfahren mit Terrorverdacht eingeleitet.