Frankreich:François Fillon bemüht sich um neue Würde

Francois Fillon

François Fillon, der Gewinner der Vorwahlen der Rechten vom Sonntag, zitiert de Gaulle in jeder Rede.

(Foto: AFP)

Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner zitiert ausdauernd Charles de Gaulle - das Präsidenten-Idealbild vieler Franzosen. Doch damit weckt er falsche Erwartungen.

Kommentar von Christian Wernicke

Bis heute hallt der Satz nach. Die Wahl des Präsidenten, so sprach Charles de Gaulle vor mehr als einem halben Jahrhundert, sei "die Begegnung zwischen einem Mann und einem Volk". Der Retter der Nation und Gründer der V. Republik glaubte fest an die mystische Berufung "großer Männer", die Geschicke ihrer Nation zu lenken. Vom Parlament hielt der General wenig, Parteien verachtete er. Das Volk sollte den Monarchen auf Zeit küren - und ihm dann brav folgen.

De Gaulle verkörpert noch immer das Idealbild, das sich viele Franzosen von ihrem Präsidenten malen. Jahrzehnte der Verklärung haben ihn zu einem Riesen heranwachsen lassen, der alle, die da heute politisch herumwerkeln in Paris, wie Zwerge erscheinen lässt. Wer hoch hinaus will, beruft sich auf den General. Das ist Pflicht, zumal wenn er jetzt wie François Fillon als Spitzenkandidat der konservativen Republikaner - den Erben des Gaullismus - dem Übervater nachfolgen und in den Élysée-Palast einziehen will. François Fillon, der Gewinner der Vorwahlen der Rechten vom Sonntag, zitiert de Gaulle in jeder Rede. Er klingt, als könne er die Nation zurückführen in eine goldene Epoche, in der Frankreich "eine der fünf Weltmächte" und überhaupt alles besser war.

François Fillon zitiert de Gaulle und weckt so falsche Erwartungen

Nur leider, das sind hohle Rituale und Gesten, die rückwärts weisen. Die Verbeugung vor dem General nährt die Sehn-sucht nach Zeiten, da vermeintlich Ordnung herrschte im Land, mit Schuluniform und ohne Multi-Kulti. Der konservative Katholik ruft zum Kampf gegen Terror und Totalitarismus, er vergleicht die Dschihadisten mit den Nazis - und damit sich selbst mit de Gaulle. Die Herbeirufung des historischen Helden schürt die Illusion, man könne noch heute Politik à la de Gaulle betreiben. Dabei beweist doch gerade jene Prüfung, die Fillon jetzt bestanden hat, wie sehr sich Frankreichs Demokratie verändert hat. Aussicht auf das Präsidentenamt hat nur, wer sich zuvor dem Hickhack einer Vorwahl und den Attacken mäkelnder Parteifreunde unterwirft. Sogar François Hollande, der Amtsinhaber, wird eine "Primaire" der Linken überstehen müssen, falls er 2017 nochmals antritt.

Man mag diese Amerikanisierung von Frankreichs politischer Kultur bedauern. Aber so funktioniert die Demokratie inzwischen. Die Kräfte gottgleicher Vorsehung, wie man sie bei Jeanne d'Arc und de Gaulle walten sah, wirken nicht mehr.

Die Ent-Heiligung des höchsten Staatsamtes haben zwei Männer beschleunigt. Zunächst ging Nicolas Sarkozy seinen Landsleuten als hyperaktiver, egozentrischer "Président bling-bling" auf die Nerven. Dann zerrüttete Hollande die Aura des Amtes. Er ließ sich als Gigolo auf dem Motorroller erwischen, zuletzt zog der "Président bla-bla" in Gesprächsbüchern über ganz Paris und das halbe Land her.

François Fillon bemüht sich um neue Würde. Das mag helfen, Frankreich durch harte Reformen in die Zukunft zu führen. Der Kult um de Gaulle jedoch schadet nur. So wie er könnte heute niemand mehr Politik machen. Nicht mal der General selbst.

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