Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Finale Schlammschlacht

Lesezeit: 3 Min.

Im TV-Duell attackieren sich die Präsidentschaftskandidaten wüst. Umfragen zufolge geht Emmanuel Macron gestärkt aus der Debatte hervor - und bekommt anschließend noch prominenten Beistand.

Von Leila Al-Serori, Paris

Sie lächelt süffisant, als sie den ersten Schlag setzt. "Ich bin die Kandidatin des Volkes", tönt Marine Le Pen mit ihrer rauen Stimme, ihr Gegenüber sei hingegen "der Kandidat der ungezügelten Globalisierung, ein Vertreter des Krieges von jedem gegen jeden". Der Angegriffene, Emmanuel Macron, zieht die Augenbrauen hoch, rollt mit den Augen, dann geht er zum Gegenangriff über. Es ist nur der Auftakt zu einem erbitterten, mitunter brutalen Schlagabtausch.

Wenige Tage vor der entscheidenden Stichwahl um die Präsidentschaft in Frankreich am kommenden Sonntag sind der parteilose Pro-Europäer Macron und die rechtspopulistische EU-Gegnerin Le Pen im ersten und einzigen TV-Duell gegeneinander angetreten, 16,5 Millionen Menschen schauten zu. Umfragen zufolge ist Ex-Wirtschaftsminister Macron der Favorit im Rennen: Er liegt bei etwa 60 Prozent. Experten halten einen Sieg der Front-National-Kandidatin Le Pen für unwahrscheinlich - aber nicht für ausgeschlossen. 15 Prozent der Wahlberechtigten gelten noch als unentschlossen. Dementsprechend konfrontationsbereit zeigten sich die beiden Kontrahenten am Mittwochabend im Studio. "Madame Le Pen, Sie sind auf alle Fälle keine Kandidatin mit Feingefühl", feuerte Macron ihr entgegen und erklärte sie zu einer "echten Erbin der Rechtsextremen in Frankreich".

In diesem Stil ging es zweieinhalb Stunden lang weiter; quer durch die Themenkomplexe Europa, Sicherheit, Einwanderung, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Statt konstruktiv zu diskutierten, warfen die beiden einander ihre gegensätzlichen, weithin bekannten Positionen an den Kopf: Le Pen will den Euro verlassen und ein EU-Referendum einleiten, Macron hingegen wirbt für eine Annäherung der europäischen Regierungen. Sie will französische Unternehmen mit Protektionismus vor ausländischer Konkurrenz schützen, er wirbt für ein liberales Wirtschaftsmodell und Entlassungen im öffentlichen Dienst. Inhaltlich brachte die Debatte aber kaum neue Details.

Nur beim Griff zum Wasserglas holen die beiden kurz Luft, dann folgt die nächste Attacke

Vielmehr drehten sich die beiden Kandidaten pausenlos zwischen Angriff und Verteidigung im Kreis, beschuldigten sich der Lüge, maßregelten sich gegenseitig, nannten die Aussagen des Gegenübers "dumm". Nur für kurze Momente, beim Griff zum Wasserglas, holten die Präsidentschaftsanwärter Luft, bevor sie einander wieder lautstark attackierten. Die beiden Moderatoren hatten sichtlich Mühe mitzukommen, sie waren kaum mehr als Stichwortgeber.

Marine Le Pen war von der ersten Sekunde an auf Krawall aus, sie stichelte und provozierte - zielte damit aber weniger auf die Unentschiedenen als auf ihre Kernwählerschaft. Emmanuel Macron, obwohl Favorit des Rennens, war sich offenkundig bewusst, dass er noch viele Skeptiker überzeugen muss. Er redete sich in Rage, ließ sich von Le Pen allerdings nicht vorführen, sondern bemühte sich auch, in sachlichem Ton ihre Aussagen zu zerlegen. Als Macron dann allerdings von den wirtschaftlichen Problemen Frankreichs und der Arbeitslosigkeit sprach, hielt sie ihm mit spöttischem Grinsen vor, er sei doch Wirtschaftsminister gewesen und habe als solcher zu der jetzigen Situation beigetragen: "Sie denken nicht an das Wohl der Nation!"

Der 39-Jährige keilte zurück: "Und was schlagen Sie konkret vor? Nichts. Sie haben nur Ihr Mundwerk, keine Pläne." Schließlich griff Le Pen auf einen altbekannten Vorwurf zurück: "Sie gehen zu Angela Merkel und fragen um Rat", hielt sie ihm vor, den sie schon öfter als Marionette Deutschlands abstempeln wollte. Dieser erwiderte, Frankreich stünde besser als Partner und nicht als Gegner Deutschlands da.

Le Pens Strategie, Macron bis zum Wutausbruch zu reizen, ging den ganzen Abend nicht auf; das dürfte sie selbst gemerkt haben: Ihr Lächeln beim Abgang wirkte mehr gezwungen als süffisant. Einer Umfrage nach dem Duell zufolge fanden 63 Prozent der Befragten Macron überzeugender, 34 Prozent dagegen Le Pen. Am Donnerstag stellte sich auch der frühere US-Präsident Barack Obama hinter den Favoriten: "Ich unterstütze Emmanuel Macron", sagte er in einem Internet-Video. Die französische Wahl sei "sehr wichtig für die Zukunft Frankreichs und die Zukunft der Werte, die uns so wichtig sind." Im Wahlkampf appelliere Macron "an die Hoffnungen der Menschen, nicht an ihre Ängste", so Obama. Sein Nachfolger Donald Trump dagegen hatte kürzlich in einer Twitter-Nachricht Marine Le Pen als "stärkste" Kandidatin für die Präsidentschaft bezeichnet.

Auch Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau stellte sich hinter Macron, indem er öffentlich vor den Plänen Le Pens warnte, das Land aus der Euro-Zone zu führen: Dadurch würde das "Vertrauen in die Währung gefährdet.

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SZ vom 05.05.2017
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