FrankreichWie ein Pariser Bäcker die Heiligkeit des 1. Mai zerrüttet

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Maiglöckchen gehören in Frankreich zum Tag der Arbeit.
Maiglöckchen gehören in Frankreich zum Tag der Arbeit. (Foto: Alain Pitton/IMAGO)

Kein Angestellter in Frankreich soll arbeiten dürfen am Tag der Arbeit, außer die in absolut notwendigen Diensten. Echt? Nicht einmal freiwillig und zum doppelten Lohn?

Von Oliver Meiler, Paris

Der 1. Mai ist heilig, sacré, und obligatorisch arbeitsfrei, chômé. Das weiß jeder Franzose. Eine soziale Errungenschaft der Arbeiter, eine alljährliche Verneigung auch vor den Kämpfen der Ahnen. Nun aber, vor diesem 1. Mai 2025, gerät die Heiligkeit plötzlich ins Wanken. Man fragt sich gerade, ob das Gesetz, das alle nicht notwendige Angestelltenarbeit an diesem Tag verbietet, am Ende nicht auch einige absurde Blüten treibt.

Und das hat viel mit einer Pariser Bäckereikette zu tun, die nun in allen Medien ist: Sie heißt Bo & Mie und bräuchte die Werbung nicht, die ihr durch die Geschichte erwächst. Sie ist so erfolgreich, dass sie schon sechs Läden allein in Paris unterhält, dazu einen in Aix-en-Provence und je einen in Barcelona, im saudischen Dschidda und in Seoul in Südkorea. Vor vier Jahren waren es erst drei, alle in Paris. Das Geschäft an der Rue de Turbigo im 2. Arrondissement hatte offen an jenem 1. Mai nach der Pandemie, obschon Bäckereien gemäß Gesetz nicht zu den notwendigen Diensten gehören. Als nötig gelten unter anderem Krankenhäuser, Hotels, Restaurants.

Ein Arbeitsinspekteur schaute vorbei, zählte bei Bo & Mie an der Rue de Turbigo 21 Angestellte, redete mit ihnen und ließ sich ihre Arbeitsverträge aushändigen. Dabei kam heraus, dass alle freiwillig und zum doppelten Stundenlohn arbeiteten. Für den Inspekteur vom Staat tat das nichts zur Sache: Der 1. Mai ist chômé und sacré. Allenfalls hätte der Patron arbeiten dürfen, aber nur er allein, am Ofen, an der Verkaufstheke, überall gleichzeitig. Der Chef von Bo & Mie heißt Jean-François Bandet. Einige Monate nach der Visite erhielt Bandet per Post eine Geldbuße für „Verletzung der Regeln zum arbeitsfreien 1. Mai“ auferlegt: 78 750 Euro. Für jeden arbeitenden Angestellten 750 Euro – multipliziert mit fünf, weil Bandet als alleiniger Inhaber der Holding auch eine juristische Person ist.

Er ging in Berufung, weil er die Buße für ungerecht hielt. Er habe das Verbot nicht gekannt, sagte er. Nun, das ist nicht sehr wahrscheinlich, wie gesagt: Das kennt jeder Franzose. Bandet hörte lang nichts zurück, bis vor zwei Wochen, da kam wieder Post: Sein Antrag wurde abgelehnt. Nun ging Bandet an die Öffentlichkeit und erzählte, 78 750 Euro Geldstrafe seien „grotesk“, das sei mehr als das Zehnfache seines Umsatzes in dieser Filiale. Und überhaupt, fragte er: „Warum darf der Rivale Starbucks gleich daneben offen haben am 1. Mai, meine französische Handwerksbäckerei hingegen nicht?“ Spätestens da hatte er die Franzosen im Sack.

Nun wird darüber diskutiert, ob es nicht vielleicht ganz okay wäre, wenn Angestellte, die gern für den doppelten Lohn am 1. Mai arbeiten wollten, das auch tun dürften. Im Senat liegt schon ein Gesetzentwurf in diesem Sinne, eiligst eingereicht von einigen Parlamentariern aus dem politischen Zentrum und offenbar unterstützt von der französischen Arbeitsministerin. Linke und Gewerkschafter stehen kopf. So verschwinde eine weitere Errungenschaft der Arbeiter, sagen sie: Aus der Freiwilligkeit werde sicher schnell Halbzwang.

Neu sollen auch Blumenläden mit Personal öffnen dürfen am 1. Mai: für den Verkauf der obligaten Maiglöckchen. Auch damit sind die linken Parteien und die Gewerkschaften nicht so glücklich. Die Maiglöckchen verkaufen jetzt nämlich sie, schwarz, auf der Straße, an ihren Kundgebungen zum Tag der Arbeit.

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