Frankreich:Ein Polit-Star dankt ab

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Präsident und Kandidaten: Sowohl Premier Manuel Valls (Mitte) als auch Ex-Minister Emmanuel Macron (rechts) wollen François Hollande beerben. (Foto: Stephane de Sakutin/AFP)

Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, einst politischer Ziehsohn von Präsident Hollande, reicht seinen Rücktritt ein - und bereitet sich damit wohl aufs nächste Amt vor.

Von Christian Wernicke, Paris

Er gilt als aufstrebender Star am (meist eher trüben) Himmel der Pariser Politik. Und als Lichtblick im Kabinett der sozialistischen Regierung. Nun, so scheint's, will Emmanuel Macron noch höher hinaus: Acht Monate vor den Präsidentschaftswahlen reichte der 38-jährige Wirtschaftsminister am Dienstagnachmittag bei François Hollande, seinem Präsidenten und politischen Ziehvater, den Rücktritt ein. Sein Ressort übernimmt Finanzminister Michel Sapin, nun als Superminister auch für Wirtschaft. Macrons Abgang wird in der Hauptstadt als Anlauf gedeutet: Der parteilose Sozialliberale dürfte nun selbst als Kandidat bei den Wahlen ums höchste Staatsamt antreten.

Am Dienstag erklärte Macron, er wolle "eine neue Etappe beginnen" und "frei sein", bis Ende September Vorschläge "zur Veränderung Frankreichs" zu machen. Er habe im Amt zuletzt "die Grenzen unseres politischen Systems gespürt." Macron ließ offen, ob er es wagen würde, auch im Falle einer erneuten Kandidatur Hollandes gegen seinen bisherigen Dienstherrn anzutreten. Hollande will erst im Dezember entscheiden, ob er eine zweite Amtszeit anstrebt. Eine Gegenkandidatur wäre nicht nur ein Affront. Es würde die ohnehin geringen Chancen Hollandes weiter mindern, es im Frühjahr in die Stichwahl zu schaffen. In den vergangenen Monaten hatten Kritiker aus der sozialistischen Partei bereits nachgesagt, Macron werde "zum Brutus" seines Mentors Hollande. Macron zählt zu den populärsten Politikern Frankreichs. Allerdings hätte er wohl Probleme, sich im Rahmen einer Vorwahl der Linken als Spitzenkandidat durchzusetzen: Er genießt mehr Rückhalt bei konservativen als bei sozialistischen Wählern.

Im April hatte der Minister überraschend eine neue Bewegung namens "En Marche!" gegründet. Macron betonte immer wieder, "En Marche!" sei keine Partei, sondern eine Initiative, um "jenseits der Gräben zwischen rechts und links" Franzosen aus allen Lagern für ein Reformprogramm zu gewinnen. Bei einer ersten Großveranstaltung im Juli in Paris hatte Macron mit einer programmtischen Rede neue Spekulationen über seine Ambitionen genährt. "Diese Bewegung tragen wir bis 2017, bis zum Sieg", rief er 3500 Anhängern zu. Am Dienstag ließ er lediglich per SMS wissen, er wolle nun "die Dynamik der letzten Monate vergrößern".

Berater hatten den Präsidenten immer wieder vor seinem eigensinnigen Zögling gewarnt

Macron, Sohn einer bürgerlichen Familie aus dem nordfranzösischen Amiens, hatte nach einem Philosophie-Studium und als Absolvent der Elite-Hochschule ENA zunächst als Bankier gearbeitet. Dabei soll er bereits vor vier Jahren Millionär geworden sein. 2012 berief der neu gewählte Sozialist Hollande den Mann mit dem gewinnenden Lächeln zu seinem Wirtschaftsberater, Macron ist Architekt von Hollandes marktwirtschaftlicher Kurswende 2014. Im Juni 2014 verließ der Berater den Palast - um nur zwei Monate später als Wirtschaftsminister auf die politische Bühne zurückzukehren.

Der französischen Linken gilt der leidenschaftliche Europäer als rotes Tuch. Macrons Gesetz zur Liberalisierung der Wirtschaft, das 2015 unter anderem die Ladenöffnungszeiten lockerte, wurde selbst von linken PS-Rebellen bekämpft. Auch auf das Arbeitsgesetz, das Arbeitszeit und Kündigungsschutz lockert und im Frühjahr auf Widerstände von Schülerverbänden und Gewerkschaften gestoßen war, nahm Macron maßgeblich Einfluss. Zugleich ließ der Minister durchblicken, dass ihm Hollandes Reformen nicht weit genug gingen.

Hollande hatte sich bis zuletzt Forderungen von Vertrauten widersetzt, den zunehmend eigensinnigen Zögling zu entlassen. Nun hat der Minister abgedankt - um vielleicht selbst republikanischer Monarch zu werden.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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