Frankreich:Das Ende einer Krise - und einer Karriere

Nach der verlorenen Kraftprobe um die Arbeitsmarktreform ist Frankreichs störrischer Premier Dominique de Villepin ist nur noch Regierungschef auf Abruf.

Gerd Kröncke

Die Krise ist vorbei, aber um welchen Preis. In gut einem Jahr geht die Präsidentschaft von Jacques Chirac zu Ende, und in dieser letzten Phase wollte er noch einmal durchstarten, um all die Rückschläge hinter sich zu lassen, die seine zweite Amtszeit überschattet haben. Stattdessen haben er und sein Premierminister Dominique de Villepin ein Chaos heraufbeschworen, wie es das Land seit der Studentenrevolte vom Mai '68 nicht erlebt hatte. Zehn Wochen lang haben der Präsident und seine Regierung an einem Projekt festgehalten, das Millionen Studenten und Gewerkschafter auf die Straße trieb.

Villepin

Prmier auf Abruf: Dominique de Villepin

(Foto: Foto: AFP)

Eine außerparlamentarische Opposition hat die Kraftprobe gesucht und sie gewonnen. Präsident und Premierminister stützten den Rest ihrer Autorität auf eine übergroße Parlamentsmehrheit, sie hat ihnen nicht geholfen. Selbst in der Regierungsfraktion gab es - die Gefolgschaft von Innenminister Nicolas Sarkozy gegen die von Villepin - zwei feindliche Lager. Villepin, der immer einsamer dastand, wollte sich dem Druck der Straße nicht beugen, es blieb ihm nichts anderes übrig, als klein beizugeben. Es herrscht Endzeitstimmung in Paris.

Villepin wollte mit dem "Erstbeschäftigungsgesetz" CPE Jobs schaffen für die arbeitslosen Jugendlichen und hat die Stimmung auf fatale Weise unterschätzt. Wenn die Franzosen das Wort Reform hören, dann werden sie misstrauisch. So wurde der Regierungschef ein Opfer seiner Arroganz. Sein kardinaler Fehler war, dass er sich das Gesetz mit seinen engsten Mitarbeitern ausgedacht hatte, ohne jede öffentliche Diskussion. Wichtige Minister seiner Regierung haben sich nur mit Widerwillen in die Kabinettsdisziplin einbinden lassen.

Kampf auch gegen Sarkozy

Die Krise hat zudem die nur dürftig kaschierte, zunehmend brutaler werdende Auseinandersetzung um die Führung des rechten Lagers verdeutlicht. Villepin wollte sich, auf Biegen und Brechen, gegen seinen Rivalen Sarkozy profilieren. Dass der Innenminister und Vorsitzende der Regierungspartei UMP früh gewarnt und später als einer der ersten eine Umkehr gefordert hatte, hat den Premier in seinem aussichtslosen Kampf nur bestärkt.

Villepin wollte die Krise durchstehen und setzte darauf, dass sich die Proteste totlaufen würden. Sein Kalkül, dass es die schweigende Mehrheit honorieren würde, wenn er hart bliebe, war nicht abwegig, war aber falsch. Er werde nicht aufgeben, im Gegensatz zu anderen habe er Mumm, hatte der Premier ein ums andere Mal wissen lassen. Noch vorige Woche hatte er von der "Mission" gesprochen, die ihm der Präsident übertragen habe und die er "bis zum Ende" erfüllen werde. Mit dem Scheitern der "Mission impossible" ist Villepin selbst am Ende. Auch wenn er im Amt bleibt, ist er, bis zur nächsten Krise, nur noch ein Regierungschef auf Abruf. Eigentlich müsste Villepin aus Selbstachtung zurücktreten, wie er es angedroht hatte.

Für Chirac ist diese Niederlage neben dem verlorenen Europa-Referendum im vorigen Jahr, die Frankreich außenpolitisch zurückgeworfen hat, die verheerendste seiner zweiten Amtsperiode. Für Villepin bedeutet sie das Aus für seinen Lebenstraum, dem Chef in den Elysée-Palast zu folgen. Für die französischen Linken indes, vor allem für die Sozialisten, die bis zum Beginn der CPE-Auseinandersetzung perspektivlos herummanövrierten und ihre eigenen Führungskrisen pflegten, konnte nichts gelegener kommen als dieses Desaster.

Stärkung für die Sozialisten

Die Sozialisten können, wenn sie sich denn auf einen überzeugenden Präsidentschaftskandidaten einigen, nach diesen Wochen optimistischer nach vorn schauen. Mit dem geschwächten Präsidenten und dem Premierminister auf Abruf hat die bürgerliche Rechte noch ein schwieriges Jahr vor sich. Als Kandidat der Hoffnung bleibt ihr Nicolas Sarkozy, und Chirac ist der Letzte, der ihn noch bremsen könnte.

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