Frankreich:Anwälte schlüpfen aus ihren Roben

Frankreich, Proteste gegen die Rentenreform in Grenoble 7EME JOURNEE CONTRE LA REFORME DES RETRAITES - GRENOBLE The cort

Proteste gegen die Rentenreform in Grenoble.

(Foto: Gregory Berger/imago)

Zwar hat die Regierung ein neues Rentengesetz eingereicht, doch die Proteste gehen weiter. In Paris, Marseille und vielen anderen Zentren.

Von Nadia Pantel, Paris

Seit sieben Wochen protestieren die Franzosen gegen die von der Regierung geplante Rentenreform. Zwar ist die Beteiligung am Streik deutlich zurückgegangen, am Freitag fuhr der Nahverkehr in Paris größtenteils störungsfrei und auch bei den Fernzügen gab es kaum Ausfälle, doch gleichzeitig gingen erneut Zehntausende gegen die Einführung eines neuen Rentensystems auf die Straße: in Paris, Marseille und vielen regionalen Zentren. So legten die Mitglieder der Anwaltskammer von Brive ihre Roben vor das Gericht, um dagegen zu protestieren, dass die Sonderkasse der Anwälte in einer Universalrente aufgeht. In Nancy blieb die Universitätsbibliothek wegen des Streiks der Bibliothekare geschlossen. In Gemeinden am Ärmelkanal riefen Gewerkschaften dazu auf, den Verkehr zu behindern.

Die Gewerkschaft CGT kündigte weitere Demonstrationen an. So solle der 29. Januar zu einem Höhepunkt des Protests werden. In der Frage, wie die Gruppe der nicht-streikenden Franzosen die Proteste bewertet, sind sich die Meinungsforschungsinstitute uneinig. Das BVA gibt an, dass 70 Prozent der Befragten es begrüßen, wenn die Streiks und Proteste fortgesetzt werden. Die konservative Zeitung Figaro hingegen veröffentlichte eine Umfrage von Odoxa-Dentsu Consulting, der zufolge 56 Prozent der Befragten wollen, dass der Streik aufhört.

Gleichzeitig mit dem Beginn der Demonstrationen wurde am Freitag das Gesetz zur Rentenreform bei einer Regierungssitzung unter Vorsitz von Präsident Emmanuel Macron auf den Weg gebracht. In einem nächsten Schritt wird das Gesetz der Nationalversammlung vorgelegt.

Die massiven Proteste hatten dazu geführt, dass Premierminister Édouard Philippe eine faktische Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre aus dem Gesetzestext streichen ließ. Außerdem wurden bereits zahlreiche Ausnahmen mit diversen Berufsgruppen vereinbart, für die auch mit Beginn der Universalrente andere Regeln als für die Mehrheit gelten werden.

Premier Philippe fordert von den Gewerkschaften Vorschläge zur Finanzierung des Rentensystems. Die Anhebung des Rentenalters auf 64 hatte Präsident Macron im Wahlkampf noch ausgeschlossen, Philippe sagte im Dezember jedoch, es sei zum Ausgleich des Systems nötig, dass die Franzosen länger arbeiten. Die Anhebung des Renteneintrittsalters hatte dazu geführt, dass die reformbereite Gewerkschaft CFDT sich an den Protesten beteiligte. Die CFDT unterstützt die Einführung einer Universalrente, die deutlich weiter links verwurzelte CGT fordert die Rücknahme der gesamten Reform.

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