Frankreich:Alte Feindbilder

Es gilt, die Borniertheit in den eigenen Reihen zu erkennen.

Von Nadia Pantel

Als vor Kurzem in gelben Lettern das Wort "Juden" an das Schaufenster einer Pariser Filiale der Imbisskette Bagelstein geschmiert wurde, meinten viele, sofort zu wissen, wer dafür verantwortlich gewesen sein muss. Regierungssprecher Benjamin Griveaux stellte die Tat in Zusammenhang mit Protesten der Gilets jaunes. Der rechte Politiker Nicolas Dupont-Aignan behauptete dagegen, dass hinter solchen Angriffen meist eingewanderte Islamisten steckten.

Welcher Antisemit nun wirklich mit gelber Farbe unterwegs war, untersucht die Polizei. Alle anderen tun gut daran, sich selbst zu untersuchen. Die Jahrhunderte, in denen Juden in Europa verleumdet, verfolgt und ermordet wurden, haben in jedem Kopf Spuren hinterlassen. Die Vorurteile sind für alle abrufbar und jeder Einzelne ist dafür verantwortlich, sie in seinem Denken zu erkennen. Ob er sich nun links, rechts, Christ oder Muslim nennt.

Frankreich, Europa und die Welt erleben eine Zeit, in der jene Politiker enormen Zulauf haben, die einfachste Antworten liefern. In diesem Klima wuchern die alten Feindbilder. Es gibt keine Gruppe, die allein dafür verantwortlich wäre, dass die Anzahl antisemitischer Übergriffe in Frankreich innerhalb eines Jahres um 74 Prozent gestiegen ist. Verantwortlich ist jeder, der die Borniertheit in den eigenen Reihen nicht sehen will.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: