Am Montagmorgen stehen sie noch als letzte Zeugen des Geschehenen auf dem Opernplatz herum, stumm, grau, zu großen Rechtecken gruppiert: eine Hundertschaft Mülltonnen. Die Stadt Frankfurt hatte sie am Freitag über den ganzen Platz verstreut aufgestellt und mit freundlichen Schildern versehen, die dem Partyvolk nahebringen sollten, dass hier der Ort für Flaschen und Pizzakartons sei, nicht im Brunnen oder auf der Straße. Bis nach Mitternacht hatte das einigermaßen funktioniert.
Um drei Uhr morgens gab es eine Schlägerei. Als die Polizei einem Verletzten helfen wollte, wurde sie mit Flaschen beworfen - und die Mülltonnen landeten als Hindernisse auf der Straße. Die 500 bis 800 Menschen, die noch auf dem Platz waren, jubelten, wurde ein Polizist getroffen. So etwas habe er noch nicht erlebt, sagt am Sonntag ein erschütterter Frankfurter Polizeichef Gerhard Bereswill.

Krawalle in Frankfurt:"Jugendtypische Gewalt ist meist nicht geplant"
Forscher Bernd Holthusen warnt nach den Krawallen in Frankfurt am Main davor, Jugendliche pauschal zu verurteilen. Sie müssten sich treffen können, ohne regelmäßig von der Polizei ermahnt und kontrolliert zu werden.
24 Stunden später zieht er gemeinsam mit dem städtischen Sicherheitsdezernenten Markus Frank (CDU) und der Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) Bilanz: Fünf Polizisten hätten Schürfwunden und Prellungen erlitten, dank ihrer Schutzkleidung sei zum Glück nicht mehr passiert. Unter den 39 in der Nacht vorläufig Festgenommenen seien 38 Männer und eine Frau. Sie seien zwischen 14 und 23 Jahre alt, hätten überwiegend einen Migrationshintergrund; in der Nacht seien die meisten alkoholisiert gewesen. Vor allem aber seien fast alle der Polizei bekannt, wegen Körperverletzung, Diebstahl, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Nur zehn kämen tatsächlich aus Frankfurt - die anderen seien aus dem Umland angereist, aus Heidelberg, Darmstadt, Hanau, Limburg, Koblenz.
Martialische Töne von Politikern fehlen in Frankfurt
Es hat eine Minderheit von Gewalttätern die bis dahin weitgehend friedliche Stimmung auf dem Platz zum Kippen gebracht - das ist die Analyse von Polizei und Stadt am Tag zwei nach dem Krawall. Entsprechend bemühen sich die Verantwortlichen in Frankfurt zu betonen, dass alle Parallelen zu den Stuttgarter Ausschreitungen ihre Grenzen hätten: Anders als dort habe man die Lage bald im Griff und die Gewalttäter schnell identifiziert gehabt.
Und so ist zwar dem Frankfurter Sicherheitsdezernenten Markus Frank durchaus die Empörung anzuhören, wenn er die Angriffe "feige" nennt und Teil einer "brandgefährlichen" Entwicklung, Polizisten, aber auch Rettungskräfte anzugreifen, wo immer sie auftauchten. So klingt der Polizeichef immer noch fassungslos, wenn er sagt: "Diejenigen mit Flaschen bewerfen, die einem Verletzten helfen wollen - das ist doch irre!" Doch martialische Töne wie die des CSU-Bundestagsabgeordneten Stefan Müller fehlen, der auf Twitter geschrieben hatte, Frankfurt sei "die Afterparty zu Stuttgart"; die Ursachen für die Ausschreitungen seien "eine gescheiterte Integration und das Leugnen von Missständen durch linke Eliten".
Und auch die konkreten Maßnahmen der Stadt lassen keine grundsätzliche Abkehr von einer Deeskalationsstrategie erkennen, mit der die Frankfurter in den vergangenen Wochen mit den wilden Partys auf dem Opernplatz leidlich gut gefahren waren, wo Samstag für Samstag Tausende unter Missachtung aller Corona-Regeln gefeiert hatten. Bis Mitternacht soll es weiterhin grundsätzlich möglich sein, sich dort zu treffen, sagt Frank. Dann gilt für den Platz ein Betretungsverbot, die Stadtreinigung beginnt ihre Arbeit - und ab ein Uhr nachts ist der Platz dann gesperrt. "Das ist eine Art Zapfenstreich", sagt Frank. Von einem Glasflaschenverbot sehe man derzeit noch ab.
Bis 20 Uhr herrschte in "schöne Stimmung"
"Wir wollen die Stadt nicht sperren", sagt die Umweltdezernentin Rosemarie Heilig. "So um 20 Uhr" sei auf dem Platz eine "schöne Stimmung gewesen", berichtet sie; sie sei "auf das Tiefste erschüttert", dass dann Leute von auswärts gekommen seien, "um Randale zu machen." Sie werde nun mit den Clubbetreibern der Stadt ein Konzept entwickeln, wie sich der Wunsch, draußen zu feiern, mit der öffentlichen Sicherheit verbinden lässt.
Hat die Debatte über möglichen Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei dazu beigetragen, dass die Flaschenwürfe auf die Polizisten von Beifall und Zustimmung begleitet wurden? Eine Journalistin will das von Polizeipräsident Bereswill wissen. Ja, sagt der nach einer kurzen Pause. "Das macht es uns nicht leichter, unsere Arbeit zu machen."