Frank-Walter Steinmeier:Bereit fürs Mutmachen

Wahl des Bundespräsidenten

Gute Laune trotz nicht ganz optimalem Wahlausgang: der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

(Foto: dpa)

Sein Wahlergebnis hätte besser sein können. Doch das verdirbt dem neuen Bundespräsidenten Steinmeier nicht die gute Laune. Inhaltlich setzt er klare Signale.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Am Ende noch ein Gruppenfoto mit Frack. Die Saaldiener im Bundestag haben sich zum Erinnerungsfoto vor dem Pult des Bundestagspräsidenten versammelt. Frank-Walter Steinmeier kommt spontan dazu, gesellt sich in deren Mitte, lacht, scherzt, Tschüssi dann und bis bald mal. Er ist ja jetzt auch kein Abgeordneter mehr. Sondern der gewählte Bundespräsident. Ein kleiner Abschied ist das. Aber ein gut gelaunter.

Gut gelaunt ist Steinmeier schon, als er nach viel Händeschütteln und gefühlt mehreren dutzend Blumensträußen an das Rednerpult im Plenum des deutschen Bundestages tritt. "Herr Präsident!", redet er Bundestagspräsident Norbert Lammert an. Seine Stimme geht mit dem "-dent" in die Höhe, als hätte er eine Überdosis Glückspillen geschluckt. Steinmeier sammelt sich schnell. Ist ja zwar ein freudiger, aber natürlich auch ein ernster Tag für ihn.

Das Ergebnis der Wahl ist jetzt nicht ganz so toll. Unterstützt von Union, SPD, Grünen und der FDP hätte Steinmeier locker mehr als 1000 Stimmen bekommen können. Sein Ergebnis blieb darunter. Und 103 Wahlleute enthielten sich. Hingegen konnten die Kandidaten von AfD und der Linken jeweils ein paar Stimmen mehr verbuchen, als sie Delegierte in der Bundesversammlung haben.

Vermutlich hat es in der Union vielen nicht gepasst, dass mit Steinmeier ein Sozialdemokrat in das höchste Staatsamt kommt. Außerdem hat die SPD mit einem - sagen wir, irritierenden - Tweet für Verdruss gesorgt: "Wir freuen uns auf den neuen sozialdemokratischen Schlossherrn", stand da mit dem Schloss Bellevue als Hintergrund. Nicht nur, dass der Respekt vor der Bundesversammlung solche Tweets, wenn überhaupt, erst nach der Wahl gebietet. Es ist zudem so, dass der Bundespräsident überparteilich sein soll. Die parteipolitische Vereinnahmung gilt als politisch unanständig. Die SPD hat den Tweet inzwischen gelöscht und sich entschuldigt.

Steinmeier muss das nicht weiter stören. Er ist gewählt im ersten Wahlgang und mit 931 Stimmen glatt durch. Es gibt Schlimmeres.

In seiner kurzen Rede lässt er anklingen, in welche Richtung seine Amtszeit als Bundespräsident gehen soll, die Mitte März beginnen wird. Ein Mutmacher will er sein. Und einer, der Deutschland als weltoffenes und liberales Land bewahren will.

Er erwähnt eine junge Tunesierin, die ihm auf einer seiner Reisen als Außenminister gesagt hat: "Ihr macht mir Mut." Deutschland war damit gemeint, sagt Steinmeier. Deutschland machte ihr Mut. "Ist es nicht eigentlich wunderbar, dass dieses Deutschland, unser schwieriges Vaterland, wie Gustav Heinemann gesagt hat, dieses Land für viele in der Welt ein Anker der Hoffnung geworden ist?", fragt er.

"Lasst uns mutig sein"

Großer Applaus im Rund des Plenum. Nur in den Reihen der AfD, deren Delegierte ganz rechts hinten platziert worden sind, hebt sich keine Hand.

Steinmeier verspricht dennoch ausdrücklich auch denen, die ihn nicht gewählt haben: "Ich werde dafür arbeiten, auch ihr Vertrauen zu gewinnen."

Er erinnert an die Fundamente der westlichen Demokratien. Die hätten gezeigt, dass die Dinge besser werden können, dass nach Krieg Frieden sein kann, nach Teilung Versöhnung, nach Raserei politische Vernunft. "Und wenn diese Fundamente anderswo wackeln, dann müssen wir umso fester zu diesem Fundament stehen."

Die Demokratie sei nicht unverwundbar. Der Anspruch, Fakten und Lügen zu unterscheiden, "den müssen wir an uns selbst stellen". Die Realität dürfe nicht geleugnet, sondern müsse verbessert werden.

"Lasst uns mutig sein", beendet er seine erste Rede als gewählter Präsident. "Dann ist mir um die Zukunft nicht bange."

Lammert an Populisten und Vereinfacher

Wie schwer das manchen fällt, zeigt sich zwei Stunden zuvor, als Bundestagspräsident Norbert Lammert in seiner Eröffnungsrede seinen Dank an den scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck richtet. Sofort brandet spontaner Beifall auf. Irgendwann stehen alle. Alle, bis auf die Entsandten von AfD und Linken.

Es ist ein merkwürdiges Bild, wie sich da diese beiden Parteien am linken und rechten Rand des politischen Spektrums in der Abneigung zu Gauck vereint zeigen. Sie sind offenbar nicht mal mutig genug, sich aus purer Höflichkeit von den Plätzen zu erheben.

Lammert hat einiges mitgebracht für die Vereinfacher und Populisten, hier und in aller Welt (hier der ganze Text seiner Rede). Wer zum Programm erkläre, "Wir zuerst!", der dürfe sich nicht wundern, wenn es ihm andere gleichtäten - "mit allen fatalen Nebenwirkungen für die internationalen Beziehungen, die uns aus dem 20. Jahrhundert bekannt sind", sagt Lammert. Das darf durchaus als Anspielung auf die "America first"-Doktrin des neuen US-Präsidenten Donald Trump verstanden werden.

Auch Lammert bringt Sätze eines jungen Menschen mit. Ein 24-jähriger Student habe ihm nach der Gedenkstunde des Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus Ende Januar geschrieben, er sei "berührt und auch stolz", angesichts des Willens zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte. Das sei "keine Schwäche, wie manche behaupteten", sagt Lammert, sondern "das exakte Gegenteil: Eine unserer größten Stärken". Dafür gibt es breiten Beifall von den Mitgliedern der Bundesversammlung.

Souveräner Umgang mit der AfD

Lammert warnt dennoch: "Tatsächlich hat das erstaunliche Ansehen, das Deutschland heute in der Welt genießt, wesentlich mit unserem verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gewaltgeschichte zu tun." Wer daran rüttele, der müsse wissen: "Er gefährdet die internationale Reputation unseres Landes und er hat die überwältigende Mehrheit der Deutschen gegen sich." Der Satz geht wohl an die Adresse der AfD und ihrer Anhänger.

Mit deren Anwesenheit in der Bundesversammlung ist Lammert souverän umgegangen. Das zeigt sich bei einer kleinen Konfrontation zwischen der AfD und den anderen Parteien am Wahltag. In einer eigentlich mehr formellen Abstimmung zur Geschäftsordnung in der Bundesversammlung kommen aus den Reihen der AfD viele Gegenstimmen und Enthaltungen. Delegierte der anderen Parteien reagieren darauf mit Buh-Rufen.

Lammert jedoch mahnt an, dass auch das das Nein der AfD-Wahlleute eine legitime Haltung sei. Damit schützt der Bundestagspräsident nicht die AfD. Er schützt die Demokratie. Mehr ist gar nicht nötig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: