François Hollande trifft Papst Franziskus:Atheist auf Pilgerreise

Hollande meets Pope Francis

"Heiliger Vater, ich bin sehr glücklich, von Ihnen empfangen zu werden": Frankreichs Präsident François Hollande bei Papst Franziskus.

(Foto: dpa)

Homo-Ehe, Abtreibung, Sterbehilfe. Präsident Hollande und Papst Franziskus sind in zentralen Themen grundverschiedener Meinung. Der Besuch des Franzosen im Vatikan gilt deshalb als starkes Signal - vor allem an seine katholischen Landsleute.

Von Stefan Ulrich, Paris

Plantu, der Karikaturist der Zeitung Le Monde, stellte die Reise des französischen Präsidenten zum Papst in Rom am Freitag so dar: François Hollande kommt mit dem Motorroller bei Franziskus an, zwei schöne Frauen auf dem Soziussitz. Der Pontifex blickt lächelnd auf das Trio und spricht seinen berühmten Satz: "Wer bin ich, um zu richten?"

Tatsächlich musste sich Hollande für seine erste Visite im Vatikan ausnahmsweise einmal nicht mit der Frage herumschlagen, wer denn nun die Première Dame der Republik sei, seine bisherige Lebensgefährtin Valérie Trierweiler oder seine neuere Passion Julie Gayet. Bei Treffen mit dem Papst sind First Girlfriends ohnehin nicht vorgesehen, sondern nur Ehefrauen. Daher fuhr Hollande am Freitag ohne Damenbegleitung im Damasushof des Apostolischen Palastes vor. Der Besuch war auch so delikat genug, und das nicht etwa wegen der selbstgebauten Bombe, die in der Nacht zuvor nahe einer französischen Kirche in Rom explodiert war. Sie galt wohl nicht dem Präsidenten.

Nur noch jeder sechste Katholik in Frankreich ist mit dem Staatschef zufrieden

Auch wenn die Bilder der "deux François" (der beiden Franz'), wie sich französische Journalisten ausdrückten, aus der päpstlichen Privatbibliothek harmonisch aussahen, war die Begegnung belastet. Kaum je in der Geschichte der Fünften Republik war in Frankreich das Verhältnis zwischen der Staatsführung und den Katholiken so schlecht. In Umfragen zeigt sich nur noch jeder sechste praktizierende Katholik zufrieden mit seinem Präsidenten. Der Sozialist Hollande entstammt zwar einer katholischen Familie und diente in seiner Jugend als Ministrant; er hat später aber klargestellt, vom Agnostiker zum Atheisten geworden zu sein. Seine Haltung zu Religionen und insbesondere zum Katholizismus empfinden die einen als distanziert im Sinne des Laizismus', die anderen als unterkühlt. Auch Hollandes Witzchen nach dem Rücktritt Papst Benedikts - "Wir werden keinen Kandidaten präsentieren" - empfanden französische Katholiken als deplatziert.

Vor allem aber hat Hollande in seinen knapp zwei Jahren als Präsident die katholische Kirche mit allerlei gesellschaftspolitischen Maßnahmen gegen sich aufgebracht. Die unter ihm eingeführte "Ehe für alle", also auch für Homosexuelle, führte zu monatelangen Massenprotesten in den Großstädten des Landes. Besonders die Erlaubnis für schwule und lesbische Paare, gemeinsam Kinder zu adoptieren, nahmen viele Katholiken Hollande übel. Hinzu kommen eine weitere Liberalisierung des Abtreibungsrechts, über welche die Nationalversammlung in dieser Woche entschied, sowie Regierungspläne, die aktive Sterbehilfe zu legalisieren. Auch verstörte es viele Gläubige, dass sich die Regierung zunächst nicht zu einer provokativen Aktion der Femen-Gruppe vor Weihnachten in der Pariser Kirche La Madeleine äußerte.

Die Stimmung ist also schlecht unter den französischen Katholiken, die traditionell eher rechts wählen. Der linke Präsident Hollande aber war einst angetreten, die Gesellschaft zu befrieden und die Franzosen miteinander auszusöhnen. Dieses Versprechen hat er bisher nicht eingelöst. Nun stehen Kommunal- und Europawahlen an, bei denen Hollandes Sozialisten kräftig verlieren dürften - und der rechtsnationalistische Front National deutlich gewinnen dürfte. Zugleich muss Hollande versuchen, Rückhalt in der Bevölkerung für seinen neuen finanz- und wirtschaftspolitischen Reformkurs zu bekommen.

Trotz gegensätzlicher Haltungen: Beide verbindet auch vieles

Aus all diesen Gründen will Hollande die französischen Katholiken besänftigen. Wenn sie ihn schon nicht unterstützen, so sollen sie sich in den kommenden schweren Monaten wenigstens neutral verhalten, hofft der Präsident. Diesem Ziel diente der Besuch beim Papst, und es war wohl ehrlich gemeint, als Hollande zur Begrüßung sagte: "Heiliger Vater, ich bin sehr glücklich, von Ihnen empfangen zu werden." Ein Berater im Élysée sagte, mit der Visite wolle der Präsident den Katholiken eine "starke Botschaft des Dialogs und der Aufmerksamkeit" senden.

Auch wenn Hollande und Franziskus in ethischen Fragen vieles trennt, haben sie doch auch einiges gemeinsam. Beide geben sich, trotz ihrer hohen Ämter, gern unkompliziert und "normal". Beide gelten als Pragmatiker. Beide zeigen sich kritisch gegenüber dem internationalen Finanzkapitalismus, wobei der Papst den Präsidenten in dieser Frage längst links überholt hat. Und beide stehen sich in vielen außenpolitischen Fragen nahe - beim Schutz der Christen im Nahen Osten etwa, traditionell ein französisches Anliegen, oder bei den Konflikten in Syrien und Afrika. Hollande versicherte denn auch nach dem halbstündigen Treffen auf einer Pressekonferenz in Rom: "Mein Besuch bot die Gelegenheit, die Übereinstimmung zwischen dem Vatikan und Frankreich in den großen internationalen Fragen zu unterstreichen." Er habe den Papst gebeten, Vertreter des wichtigsten syrischen Oppositionsbündnisses im Vatikan zu empfangen.

Bei dem 35 Minuten langen Treffen habe den Papst und ihn ein Wert besonders verbunden, sagte Hollande. "Das ist die menschliche Würde." Auch versprach er, Frankreich werde die Religionsfreiheit überall gegen antireligiöse Akte verteidigen. Über die schweren Differenzen in den gesellschaftspolitischen Fragen schwieg sich der Präsident vor der Presse aus. In einem Kommuniqué des Vatikans hieß es dagegen, der Heilige Stuhl habe gegenüber dem Gast "aktuelle Fragen" zur Familienpolitik und Bioethik aufgeworfen.

Bei ihrer Begrüßung vor der Bibliothek hatten der Papst und der Präsident, die sonst so jovial sein können, noch recht verhalten gewirkt. Immerhin kommentierte der Pontifex das Geschenk seines Gastes, ein Buch über den Heiligen Franziskus, mit den Worten: "Es ist unser gemeinsamer Namenspatron." Nach dem Gespräch wirkten "les deux François" entspannter. Der Präsident lud den Papst nach Frankreich ein und verabschiedete sich mit den Worten: "Bis bald."

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