François Hollande in Deutschland:Fremdeln mit Merkel, freundlich zu Griechenland

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Von "Merkozy" zu "Merkollande"? Von wegen: Wenn Frankreichs Präsident Hollande am Abend Angela Merkel trifft, wird er sich nicht auf wegweisende Absprachen einlassen. Konzilianter tritt er gegenüber den Griechen auf. Wohl auch, weil die Aussichten für Frankreichs Wirtschaftsentwicklung eher düster sind.

Michael Kläsgen und Claus Hulverscheidt, Berlin

Vorbei die Zeit der Küsschen, der flüchtigen Berührungen und kleinen Gesten, vorbei die Zeit, als die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident Seit' an Seit' durch die Euro-Krise marschierten.

Vor schicksalhaften Entscheidungen über Griechenland und die Rettung des Euro: Kanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident François Hollande. (Foto: REUTERS)

Seitdem nicht mehr Nicolas Sarkozy, sondern François Hollande im Pariser Elysée residiert, hat Angela Merkel Schwierigkeiten, sich einen Reim auf ihren wichtigsten Partner zu machen. Zwar geht man in Berlin nach wie vor davon aus, dass sich Kanzlerin und Präsident schon noch aneinander gewöhnen werden. Beim Besuch Hollandes an diesem Donnerstag wird man aber einmal mehr erleben können, dass noch einiges an Wegstrecke vor ihnen liegt.

Dabei stehen die selbst ernannten Euro-Retter in den nächsten Wochen vor wahrlich schicksalhaften Entscheidungen - allen voran jene über die Zukunft Griechenlands. Ausgerechnet in dieser Frage aber sind die Wahrnehmungen links und rechts des Rheins gänzlich unterschiedlich: Während manch deutscher Koalitionspolitiker die Griechen als Muttersöhnchen beschimpft oder ihnen im Gebirge das Seil kappen will, verfolgt man die hitzige deutsche Diskussion in Frankreich eher mit Unverständnis. Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro ist für Frankreich derzeit einfach keine Option, Finanzminister Pierre Moscovici hat das am Mittwoch noch einmal betont. Und auch von der in Deutschland geschürten Angst um die Zukunft der Währung ist in Frankreich nichts zu spüren.

Hollande weiß um Merkels Nöte - und fährt deshalb zweigleisig

Entsprechend konziliant tritt Hollande gegenüber den Griechen auf. Er würdigt die bereits erbrachten Opfer der griechischen Bevölkerung und würde gerne irgendwie oder irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels aufzeigen. Merkel hingegen sieht kein Licht, sondern in die immer finsterer werdenden Gesichter der eigenen Gefolgschaft.

Sollten die Griechen über die derzeit bereitstehenden 165 Milliarden Euro hinaus tatsächlich um noch mehr Geld bitten, wird sich die Kanzlerin sehr, sehr gute Argumente ausdenken müssen, wenn sie mit einem entsprechenden Antrag in den Fraktionen von Union und FDP nicht bös auf die Nase fallen will. Dass sie ihrerseits überhaupt bereit wäre, einen solchen nochmaligen Antrag zu unterstützen, darf man bezweifeln. Andererseits teilt man im Kanzleramt keineswegs die ebenso gewagte wie nonchalant vorgetragene These des Vizekanzlers Philipp Rösler, ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion habe "längst seinen Schrecken verloren".

Hollande weiß natürlich um Merkels Nöte - und fährt deshalb zweigleisig: Einerseits, so verlautet es aus französischen Regierungskreisen, will sich der Präsident am Donnerstag mit der Kanzlerin "abstimmen" und, wenn möglich, "Einigkeit demonstrieren". Dass der Streit über den von Hollande verlangten europäischen "Wachstumspakt" vom Tisch ist, hilft dabei sicherlich.

Andererseits hebt man im Beraterstab des Präsidenten hervor, dass in Berlin keine wegweisenden Entscheidungen getroffen würden. Und auch in einer offiziellen Erklärung von Europaminister Bernard Cazeneuve heißt es, für die Probleme der Griechen müsse auf "europäischer Ebene" nach einer Lösung gesucht werden.

Was wie eine Banalität klingt, ist in Wahrheit ein weiterer Bruch mit der Politik Sarkozys: Dieser hatte alle europäischen Fragen stets so eng mit Merkel vorbesprochen, dass den übrigen Euro-Partnern zu deren Verdruss oft nur die Rolle von Statisten blieb. Die romantische Vorstellung mancher, dass aus "Merkozy" einfach "Merkollande" wird, so die neue Botschaft aus Paris, werde sich jedenfalls nicht erfüllen.

Was Griechenland anbelangt, will Frankreich zunächst den Fortschrittsbericht der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds abwarten, der im September oder Oktober veröffentlicht werden soll. Bevor man Schlussfolgerungen ziehe, wolle man zudem hören, was der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras zu sagen habe. Hollande trifft Samaras am kommenden Samstag in Paris, einen Tag nachdem der Grieche bei Merkel in Berlin war.

Die Aussichten für den französischen Staatshaushalt verdüstern sich

Die Reihenfolge der Treffen ist durchaus interessant: Dass Hollande Merkel besucht, bevor die am Tag drauf Samaras trifft, mag einerseits das Bemühen um eine klare deutsch-französische Linie unterstreichen. Zugleich kann der Präsident die Vorabsprache aber auch dazu nutzen, Merkel vor einem allzu harschen Umgang mit dem Griechen zu warnen. Und zugleich erhält Hollande die Chance, unerwünschte Ergebnisse des deutsch-griechischen Gipfels bei seinem eigenen Treffen mit Samaras am Samstag wieder zu relativieren.

Die französische Konzilianz gegenüber Athen ist aus Sicht von Kritikern aber auch der Sorge geschuldet, dass Paris eines Tages selbst in den Fokus der Finanzmärkte geraten könnte. Noch profitiert das Land - wie Deutschland - von der Krise, weil es historisch niedrige Zinsen zahlt. Doch die Aussichten für die Wirtschaft wie für den Staatshaushalt verdüstern sich. Da kann es nicht schaden, vorbereitet zu sein.

© SZ vom 23.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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