Süddeutsche Zeitung

Urteil gegen Bundeswehrsoldat:Franco A. war zur Terrortat entschlossen

Der Offizier wird zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, weil das Gericht sich sicher ist: "Das Ob der Tat stand fest." Nur über das Wie und Wann sei sich der Vielredner Franco A. noch unklar gewesen.

Von Annette Ramelsberger, Frankfurt

Mehr als ein Jahr stand der deutsche Offizier Franco A. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Das Gericht hatte Mühe mit ihm. Immer wieder unterbrach der Richter den Redefluss: Der Angeklagte solle nicht glauben, er sei klüger als die Richter. Immer wieder hat er ihn ermahnt, er solle sagen, wo die Waffen versteckt seien, die er sich besorgt hatte. Immer wieder hatte Franco A. darauf nur Ausflüchte. Und sehr viele Worte.

Nun hat das Reden ein Ende. Am Freitag hat das Oberlandesgericht Frankfurt den Angeklagten Franco A. zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Wegen der Planung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, unerlaubten Besitzes von Waffen und Kriegswaffen, Munition und Explosionsmitteln sowie wegen Betrugs. Es ist ein aufsehenerregendes Urteil.

Es war das erste Mal im Deutschland der Nachkriegszeit, dass einem Mitglied der Bundeswehr ein Terrorprozess gemacht wurde. Ausgerechnet einem Offizier, der die Sicherheit und Stabilität der Republik verteidigen soll. Nun ist es auch das erste Mal, dass ein deutscher Offizier wegen eines geplanten Terroranschlags verurteilt wurde. Franco A., 33, war 2017 am Wiener Flughafen aufgeflogen, als er versuchte, eine Pistole aus einem Versteck zu holen. Daraufhin wurde auch seine Zweitidentität als syrischer Flüchtling bekannt. Außerdem das, was er sonst noch in seiner Freizeit trieb - die Planung eines Terroranschlags.

Der Vorsitzende Richter Christoph Koller erklärte, Franco A. habe 2016 den festen Entschluss gefasst, aus seiner völkisch-nationalistischen Gesinnung heraus einen Terroranschlag zu begehen. Schon seit 2015 habe er zunehmend konkreter darüber nachgedacht, einen Anschlag auf Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens zu unternehmen, um so dazu beizutragen, dass die "deutsche Nation" erhalten bleibe. Denn Franco A. befürchtete durch den Zustrom von Flüchtlingen eine "Auslöschung der weißen Rasse" und den "Tod des deutschen Volkes". Er hielt dies für eine Racheaktion von "Zionisten und Amerikanern" für den Zweiten Weltkrieg, so sagte er das seinen Kameraden.

"Es steht nicht gut für Sie", hatte der Richter gemahnt

Das Gericht erklärte, 2016 habe Franco A. den festen Entschluss gefasst, ein Zeichen zu setzen, um einen politischen Richtungswechsel herbeizuführen. Als Anschlagsopfer kamen für ihn nach Überzeugung des Senats die Grünenpolitikerin Claudia Roth, der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) und die Menschenrechtsaktivistin Anetta Kahane in Betracht. "Sie standen für die vom Angeklagten befürchtete Umvolkung", sagte Koller. Und er sagte noch etwas: "Das Ob der Tat stand fest, er war sich aber über das Wie und Wann noch nicht im Klaren."

Franco A.s Anwälte dagegen hatten versucht, ihn als eine Art Freiheitskämpfer oder Hauptmann von Köpenick darzustellen. Sie hatten eine Bewährungsstrafe gefordert. Franco A. hörte das Urteil sichtlich mitgenommen, mit gesenkten Augen und gefalteten Händen still an. Im Zuschauerraum waren auch an diesem Tag wieder einige seiner ehemaligen Bundeswehrkameraden. Erst im Februar war Franco A. bei einem Kameraden in Straßburg gewesen, wo er Naziorden gebunkert hatte. Daraufhin war er in Haft wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr gekommen. "Es steht nicht gut für Sie", hatte der Richter gemahnt. Doch das änderte nichts an Franco A.s Aussageverhalten. Er verriet keinen Helfer.

Das Gericht hielt es nun für erwiesen, dass Franco A. illegal vier Schusswaffen besessen hat, dazu mehr als 1000 Schuss Munition und 50 Sprengkörper. Die Munition hatte er bei der Bundeswehr abgezweigt. Auch die Zweitexistenz als syrischer Flüchtling ist bewiesen, er hatte dadurch den Staat um fast 7000 Euro an Sozialleistungen betrogen. Doch darum ging es eigentlich nur nebenbei.

Im Mittelpunkt stand der Terrorvorwurf. Allein der zeitliche Ablauf spricht Bände. Am 22. Juli 2016 drang Franco A. in die Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin ein, wo er Fotos der Autos machte; angeblich hoffte er, er könne dort die Stiftungsleiterin Anetta Kahane treffen und mit ihr sprechen. Richter Koller fragte süffisant: "Und Sie glauben, Frau Kahane hätte mit einem ihr unbekannten Mann gesprochen, der ihr in der Tiefgarage auflauert?"

Aus der Bundeswehr wird Franco A. nun entlassen

Vier Tage nach dem Garagenbesuch machte Franco A. mit einem Gewehr Schießübungen, dann besorgte er sich ein Zielfernrohr. Auf einen Zettel notierte er: "Wir befinden uns an einem Punkt, an dem wir noch nicht handeln können, wie wir letztlich wollen." Das hielt das Gericht für besonders entlarvend. Als Franco A. dann im Februar 2017 in Wien festgenommen worden war, habe er die Anschlagsplanung nur ruhen lassen - allerdings, "ohne die Planung aufzugeben", befand das Gericht.

Das Urteil bedeutet das Aus für Franco A. bei der Bundeswehr. Beamten und Soldaten werden aus dem Dienst entlassen, wenn sie zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden. Zu Beginn des Prozesses hoffte Franco A. noch, zur Bundeswehr zurückzukehren. In seinem letzten Wort sagte er, er sehe seine Zukunft als Hausmann und Vater. Franco A. und seine Verlobte haben drei kleine Kinder, das jüngste wurde erst im Januar geboren.

Das Gericht sieht in ihm nicht den harmlosen Familienvater. Es attestierte Franco A. eine "verfestigte, rechtsextremistische, völkisch-nationalistische und rassistische Gesinnung". "Besondere Abneigung hegt er gegenüber Juden", sagte Richter Koller. Das wurde bereits in der Masterarbeit von Franco A. deutlich, in der er die jüdische Weltverschwörung nachweisen wollte. Er hat zahlreiche Audio-Memos besprochen, die das Gericht nun anführte. Eines zitierte der Richter Wort für Wort. Darin spricht Franco A. über junge sächsische Frauen, die mit Ausländern Arm in Arm spazieren gehen.

"Es zerreißt mir das Herz", sagt Franco A. dazu, "es schnürt mir den Atem ab. Ich fühle mich gedrängt, etwas zu machen. Ich will die Mädchen ansprechen, was sie da verbrechen, die Jungs weghauen. Das deutsche Volk ist das einzige, was wir haben." Einziges Ziel der jungen Migranten sei: "Deutsche Frauen zu penetrieren. Die Frauen kennen keine Verantwortung gegenüber ihrem Volk." Einem Bundeswehrkameraden mit türkischen Wurzeln sagte Franco A., ein Schwarzer könne kein Deutscher sein. Und die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck nannte er vor Gericht eine "alte Frau, die zum Holocaust eine eigene Meinung hat und deshalb straffällig geworden ist".

"Nein, Herr A., Ihre Aufzeichnungen bleiben nicht im Metaphysischen."

Richter Koller hat all das noch einmal im Urteil zitiert und daraus den Schluss abgeleitet: Franco A. ist ein Rechtsextremist, auch wenn er immer erklärt habe, das sei doch alles nur metaphysisch gemeint.

Koller sprach den Angeklagten persönlich an: "Nein, Herr A., Ihre Aufzeichnungen bleiben nicht im Metaphysischen. Sie betrafen das reale Leben." Koller führte eine To-do-Liste von Franco A. an, darauf die Punkte: GPS-Tracker, Molotowcocktail herstellen, Sprengung des Erinnerungssteins an die Familie Rothschild in Frankfurt, Handgranate. Für das Gericht ein Indiz dafür, dass er diese sich selbst gestellten Aufgaben zeitnah erfüllen wollte. Und auch seine Ankündigung, Morde müssten eine "Option" sein, fand das Gericht alles andere als metaphysisch.

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