Süddeutsche Zeitung

Terrorprozess gegen Franco A.:Eine verbale Explosion - und ein Seufzen

Die Vorwürfe gegen den terrorverdächtigen Offizier wiegen schwer - doch statt über Mitwisser redet Franco A. lieber über sein Weltbild. Die Situation im Gericht wirkt zuweilen absurd.

Von Annette Ramelsberger, Frankfurt

Versuchter Anschlag auf einen Politiker, Diebstahl von 1090 Schuss Munition, Beschaffung einer Pistole - die Vorwürfe gegen den Oberleutnant der Bundeswehr wiegen schwer, haben einen Skandal in der Bundeswehr ausgelöst. Und wovon redet der Angeklagte? Dass er nach dem Abi aus sozialem Interesse bei McDonald's gearbeitet habe. Dass er gern interessante Menschen ohne Anmeldung aufsuche. Dass er sich Erdbeeren gekauft habe, bevor er in die Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung ging, weil er dort zufällig auf deren Vorsitzende Anetta Kahane hätte treffen können. Auf eine Frau, die auf einer Liste des Angeklagten stand, die die Bundesanwaltschaft als Todesliste wertet.

Die Situation wirkt skurril, zuweilen absurd, und beschreibt diesen Terrorprozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt gut: Der Angeklagte Franco A. redet über das, was ihm wichtig ist. Etwa die seiner Ansicht nach begründete Furcht vor einem Bürgerkrieg oder der noch nicht gebannten Gefahr durch Islamisten. Der Vorsitzende Richter Christoph Koller fragt nach dem, was dem Gericht wichtig ist. Nur will der 32-Jährige das nicht zur Kenntnis nehmen. Und preisgeben will er auch nichts. Weder wie er zu der Munition in seinem Keller kam noch wie zu der Waffe, mit der ihn die Polizei am Wiener Flughafen aufgriff. Das sei völlig irrelevant, findet er.

Da unterbricht ihn die Vertreterin der Bundesanwaltschaft genervt: "Sie müssen uns nicht erklären, wie wir was zu würdigen haben. Tragen Sie Tatsachen vor." Franco A. explodiert: "Warum wird mir verwehrt, das zu sagen? Da heißt es dann: Babbel nicht so viel rum, das interessiert keinen. Dann kann ich auch zu Hause bleiben." Seit 70 Minuten redet er da schon.

Der Vorsitzende Richter hatte Franco A. an den Tagen zuvor eindringlich nahegelegt, plausibel zu erklären, wie er an die Waffe gekommen war. Der Offizier war im Februar 2017 in Wien festgenommen worden, als er sie aus einem Versteck in einer Behindertentoilette holen wollte. Dabei flog dann auch auf, dass er seit 15 Monaten eine Doppelexistenz als syrischer Flüchtling führte. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Soldat einen Anschlag begehen und sie dem fiktiven Flüchtling in die Schuhe schieben wollte, um Hass gegen Flüchtlinge zu säen.

Der Angeklagte regt sich auf: "Warum wird mir verwehrt, das zu sagen?"

Die Waffe habe er nach dem "Ball der Offiziere" in einem Gebüsch gefunden, behauptet Franco A., und eingesteckt. Dann vergessen und schnell in der Toilette versteckt, als er zum Flugzeug eilte. Das glaubt ihm das Gericht nicht. An diesem Donnerstag erwarten die Richter, Überzeugenderes zu hören. Doch der Angeklagte beharrt darauf. Dabei spricht auch das Foto gegen ihn, das er mit dem Handy vom Versteck gemacht hat - angeblich um die Waffe später wiederzufinden und sie der Polizei zu übergeben. Das Bild zeigt nur den Innenraum der Toilette, nicht den Gang oder die Tür dazu. Niemand kann damit irgendetwas wiederfinden.

Und die Munition in seinem Keller? Zwischen Richter und Angeklagtem entspinnt sich einer dieser symptomatischen Dialoge. Franco A. sagt, 75 Prozent seien nicht letal gewesen, Manövermunition, Knallkörper, Rauchgranaten. Richter Koller fragt: "Aber die Gegenstände waren in Ihrem Keller?" Ja, sagt Franco A. "Seit wann waren die da?" fragt Koller nach. "Von Mitte 2016 bis Anfang 2017", sagt Franco A.

Dann die entscheidende Frage: "Wo stammten die denn her?" A. antwortet: "Ich sage dazu nichts." Richter Koller fragt nach: "Sie wollen nichts sagen?" "Ja", bestätigt Franco A. Dann gibt er zu, dass er noch drei weitere Waffen hatte. "Ich habe mich deren entledigt, habe keinen Zugriff darauf und kann über den weiteren Verbleib nichts sagen." Der Richter redet auf Franco A. ein: "Wenn Sie andere schützen wollen, gehen Sie das Risiko ein, dass man Ihnen nicht glaubt." Dabei ist seine einzige Chance, einer Verurteilung zu entgehen, wenn ihm das Gericht glaubt.

Franco A. scheint das nicht zu berühren. Er erzählt auch, dass er nur in der Tiefgarage in Berlin war, um mit Anetta Kahane zu sprechen. Kein sehr gesprächsfördernder Ort, findet der Richter - die Frau werde von Rechtsextremisten bedroht. Habe er nicht gewusst, sagt Franco A. Dabei wollte er mit ihr über einen Satz sprechen, der gerade Rechte erbost: "Im Osten gibt es gemessen an der Bevölkerung noch immer zu wenig Menschen, die sichtbar Minderheiten angehören, die zum Beispiel schwarz sind", hatte Kahane 2015 gesagt.

Die Tagesbilanz: Franco A. gibt zu, drei scharfe Waffen, Munition und die Pistole von Wien gehabt zu haben. Sonst nichts. Die Hintergründe bleiben dunkel. Der Richter seufzt.

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