Framing in der Politik:Schönes-Image-Gesetz

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Bewertung gleich mitgeliefert: Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und ihr "Gute-Kita-Gesetz". (Foto: dpa)
  • Bundesfamilienministerin Giffey hat eine Methode entwickelt, ellenlange Gesetzesnamen durch knackige Abkürzungen zu ergänzen.
  • Statt "Zweites Datenaustauschverbesserungsgesetz" haben politische Vorhaben nun so positiv klingende Namen wie "Gute-Kita-Gesetz", "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" oder "Respekt-Rente".
  • So liefern Politiker die Bewertung ihrer Arbeit gleich mit.

Von Kristiana Ludwig

Als es im Innenministerium das erste Mal um ein Gesetz ging, welches erlaubt, die persönlichen Daten aller Asylsuchenden zu speichern, hatten einige Beamte ein mulmiges Gefühl. Als das Gesetz Anfang des Jahres dann noch erneuert werden sollte, kamen sie endgültig ins Grübeln: dieser Name!

Das Paragrafenwerk nennt sich: "Zweites Gesetz zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken". Auch die sogenannte Kurzform kann als solche eigentlich nur ironisch gemeint sein: Das "Zweite Datenaustauschverbesserungsgesetz" passt nicht einmal in eine Zeitungszeile.

Die Beamten aus dem Innenministerium sind mit ihrem Problem nicht allein, jedes Ministerium ringt um passende Namen für seine Gesetze. Nun hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) eine Methode entwickelt, die ellenlangen Gesetzesnamen durch knackige Abkürzungen zu ergänzen. Erst stellte sie ein "Gute-Kita-Gesetz" vor, anschließend das "Starke-Familien-Gesetz". Giffey, die zuvor Bürgermeisterin im Berliner Bezirk Neukölln war, sagt, man müsse sich wieder daran erinnern, normal zu reden, ohne Ministerialsprech. Einfache Worte für einfache Bürger.

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Auf die Beamten im Innenministerium machte das Eindruck. "Die Gesetze von Frau Giffey haben uns darin bestätigt: Auch das Bundesinnenministerium hält es für richtig, Gesetze so zu benennen, dass die Bevölkerung gleich versteht, worum es geht", sagt ein Sprecher. So wurde aus Horst Seehofers neuem "Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" plötzlich ein "Geordnete-Rückkehr-Gesetz". Klingt abgekupfert? Nein, sagt der Sprecher: "Diese Überlegungen gab es im Bundesinnenministerium schon seit Längerem", nämlich seit besagtem Datenaustausch-Ungeheuer.

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) legt Wert darauf, dass er selbst längst auf einfache Gesetzesnamen geachtet hat. "Wir versuchen, möglichst knapp mit dem Namen zu beschreiben, was in dem Gesetz steht", sagt sein Sprecher: "Das war auch immer schon so." Tatsächlich hieß sein erstes Gesetz "Versichertenentlastungsgesetz". Sein jüngstes Werk, mit dem er den - Achtung! - morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich reformieren will, nannte Spahn das "Faire-Kassenwahl-Gesetz".

Politiker liefern die Bewertung ihrer Arbeit gleich mit

Für SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, der kürzlich für eine "Respekt-Rente" warb, steht aber eindeutig fest, wer die eigentliche Urheberin dieses neuen Namenstrends war. Giffey sei es gewesen, die damit angefangen habe, "Gesetze endlich so zu nennen, dass sich Menschen die Namen auch merken können", sagte er. Dummerweise gibt es da aber noch die Opposition, die der Auffassung ist, der treffendere Name für Giffeys Gesetz sei "Starke-Bürokratie-Gesetz".

Die simplen Titel mit Zusätzen wie "stark" oder "gut" haben für die Minister einen weiteren Vorteil: Die Politiker liefern die Bewertung ihrer Arbeit gleich mit, tausendfach gedruckt und genutzt von Journalisten. "Framing" heißt diese Kommunikationsmethode, bei der man durch die Formulierung beeinflusst, wie eine Botschaft ankommt. Oder kurz gesagt: Es handelt sich hier um ein Schönes-Image-Gesetz.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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