Fraktionsspitzen Göring-Eckardt und Hofreiter:Neue Grüne, alte Gräben

Grüne CDU/CSU Sondierungsgespräche Göring-Eckardt Anton Hofreiter

Grüne-Fraktionsspitze Anton Hofreiter (rechts) und Katrin Göring-Eckardt in Berlin.

(Foto: Imago Stock&People)

Das neue Spitzenduo der Grünen im Bundestag schießt sich bei seinem ersten Auftritt vor der Hauptstadtpresse auf die CSU ein. Katrin Göring-Eckardt und Toni Hofreiter ziehen so viele Grenzlinien, dass ihr Sondierungsgespräch mit der Union am Donnerstag wie eine Farce erscheint.

Von Michael König, Berlin

"Wir verbieten das! Wir verbieten das!", ruft Katrin Göring-Eckardt, als es um dicke Geländewagen geht, um Abgaswerte von Autos wie den Porsche Cayenne. Sie lacht dabei, es ist nur ein Scherz. Eine Anspielung auf das Etikett, das CDU und CSU ihrer Partei im Wahlkampf verpasst hatten: die Grünen, eine Verbotspartei.

Das Etikett war mächtig, nach Meinung vieler Grüner hat es maßgeblich zum mageren Wahlergebnis von 8,4 Prozent beigetragen. Göring-Eckardt war als Spitzenkandidatin das Gesicht der Partei. Trotzdem sitzt sie an diesem Mittwoch vor der Bundespressekonferenz. Als neue Fraktionschefin, am Dienstagabend mit 65 Prozent der Stimmen gewählt. Als neues Gesicht der "Partei des Ermöglichens", wie sie sagt. "Wir stehen für Aufbruch und Neuanfang."

An ihrer Seite: Toni Hofreiter, neuer Ko-Fraktionsvorsitzender, bislang Verkehrsexperte der Grünen im Bundestag. 80 Prozent der Stimmen erhielt der Oberbayer am Dienstagabend. Dicke Geländewagen sind sein Thema. "Wir wollen strenge CO2-Werte", sagt er bei seinem Auftritt vor der Hauptstadtpresse. "Die sind gut für den Käufer, weil er Geld spart bei der Steuer. Und gut für die Industrie, weil sie dann innovative Autos produziert."

Die Industrie hält von dieser Idee nichts, die Union auch nicht. Kanzlerin Angela Merkel hat schärfere CO2-Regeln für Luxusautos Ende Juni persönlich verhindert. Nun wird Merkel am Donnerstag mit Hofreiter, Göring-Eckardt und vier weiteren Grünen an einem Tisch sitzen, um Sondierungsgespräche zu führen. Es geht dann um eine Partnerschaft mit der "Verbotspartei". Um eine schwarz-grüne Koalition. Wie soll das gehen? Das ist die große Frage, die das neue grüne Spitzenduo jetzt beantworten soll.

Je länger sie reden, desto größer die Gräben

Hofreiter und Göring-Eckardt sagen einerseits, sie wollten "ernsthafte Gespräche". Eine "Showveranstaltung" dürfe es nicht geben. Andererseits wird ihre Skepsis gegenüber Schwarz-Grün überdeutlich. Je länger die beiden reden, desto größer erscheinen die Gräben. Insbesondere der zur CSU.

Da sind ja nicht nur die Geländewagen. Da gibt es noch die deutsche Flüchtlingspolitik, die vielen Toten beim Schiffsunglück vor der Insel Lampedusa. CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte erst am Dienstag "Fluchtalternativen" angemahnt und mit Blick auf Einwanderer gesagt: "Es kann nicht sein, dass Freizügigkeit so missbraucht wird, dass man ein Land nur deswegen wechselt, weil man höhere Sozialhilfe haben möchte."

Göring-Eckardt nennt das eine "Rhetorik des vollen Bootes und der Überforderung", die "nichts mit unseren Vorstellungen zu tun hat". Sie habe ein "großes Problem" mit der Politik von "Herrn Friedrich". Hofreiter spricht von Äußerungen, die die Atmosphäre vergiften würden und Zeugnis eines "Nachwahlkampfes" seien. "Es gab keinen Widerspruch von der CDU", sagt er zu Friedrichs Rhetorik. "Es sind ja zwei Parteien, und wenn die CDU da anderer Meinung ist, dann müsste sie da widersprechen."

Da ist außerdem die Energiewende, der Netzausbau. "Der hat mit der Union ein absolutes Schattendasein gefristet", sagt Göring-Eckardt. "Was haben die bisher gemacht? Da sehe ich eher die Gegenbewegung zu dem, was wir wollen." Hofreiter: "Es genügt nicht, wenn die Kanzlerin sagt, sie sei Klimakanzlerin, sich eine rote Jacke anzieht und irgendwo hinfliegt."

Die CSU und die kulturelle Repression

Und dann existieren noch die persönlichen Animositäten. Alexander Dobrindt, CSU-Generalsekretär, hatte die Grünen dafür kritisiert, den bisherigen Fraktionschef Jürgen Trittin in das Sondierungsgespräch zu entsenden. "Trittin ist ein Mann von gestern", hatte Dobrindt gespottet. Göring-Eckardt sagt dazu: "Es hat keinen Sinn, sich mit Herrn Dobrindt auseinanderzusetzen. Der hat ein Problem mit allem möglichen." Dobrindt wird ebenfalls an den Sondierungsgesprächen teilnehmen, in der CSU gilt er als Kandidat für ein Ministeramt.

So geht das immer weiter. Kaum eine Gemeinsamkeit, kaum ein gutes Wort über die Union. Hofreiter stichelt, er habe "in den achtziger Jahren in Bayern" die "kulturelle Repression" erlebt. Damals wie heute regierte dort die CSU. Die Grünen stünden hingegen für die Freiheit.

Also sind die Sondierungsgespräche am Donnerstag doch nur Show? Göring-Eckardt widerspricht: "Ich hab hier keine roten Linien markiert. Wir haben deutlich gemacht, welche Punkte uns besonders wichtig sein werden." Hofreiter sagt, wieder mit Blick auf die CSU: "Es ist ganz entscheidend, dass alle drei Parteien diese Koalition wollen. Es genügt nicht, wenn es nur zwei Partner wollen."

Planen für die Mini-Opposition

Und dann ist da noch Britta Haßelmann, seit Dienstagabend neue Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Sie berichtet, man befasse sich schon mal damit, was es für eine Opposition aus Grünen und Linken bedeute, wenn sie nicht das Quorum von 25 Prozent erfüllt. Das ist zum Beispiel für die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen nötig. Grüne und Linke kommen gemeinsam auf 20 Prozent der Sitze. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat sich diesbezüglich bereits an Bundestagspräsident Norbert Lammert gewandt.

Haßelmann sagt, sie habe bislang noch keinen Brief an Lammert geschrieben. Aber: "Wir führen Fachgespräche mit Verfassungsrechtlern." Natürlich "nur für den Fall, dass es eine große Koalition geben wird".

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