Süddeutsche Zeitung

Fragile Waffenruhe in der Ostukraine:Isoliert die Söldner

Krieg als Beruf: In der Ostukraine verweigern sich Milizenführer und Militärkommandanten einer friedlichen Lösung. Die Regierungen in Kiew, Moskau, Paris und Berlin müssen ihnen die zerstörerische Kraft rauben.

Kommentar von Stefan Braun

Der Waffenstillstand in der Ostukraine wackelt. Manche Milizenführer und Militärkommandanten verweigern sich derzeit der friedlichen Lösung. Sie lehnen es ab, den nächsten Schritt der Vereinbarung von Minsk umzusetzen. Solange die Situation vor allem rund um den wichtigen Verkehrsknotenpunkt Debalzewe jede Sekunde explodieren kann, wollen sie mit ihren schweren Waffen nicht weichen.

Damit tritt ein, was viele seit dem Verhandlungsmarathon in der weißrussischen Hauptstadt befürchtet haben: dass die Lage in diesen ersten Tagen nach dem Hoffnungsschimmer von Minsk sehr fragil bleiben würde. Der Weg dieses geschundenen Landes ist noch lange nicht auf einem sicheren Weg Richtung Waffenruhe, Waffenstillstand und Frieden. Man wird noch viel Geduld und gute Nerven brauchen. Gerade dann, wenn Rückschläge eintreten.

Gar kein Interesse am Schweigen der Waffen

Gleichwohl ist all das - noch - keine Katastrophe. Es ist die große Unsicherheit, mit der jeder rechnen musste. Zu aggressiv war vorher gekämpft worden; zu ungleich sind an vielen Stellen auch die Interessen. Während die einen sich nach Ruhe, Frieden und Freiheit sehnen und sich seit dem Wochenende halb ungläubig, halb freudig wieder auf die Straße trauen, gibt es auf der anderen Seite leider auch Anführer, Milizen und Einheiten, die an einem Schweigen der Waffen gar kein wirkliches Interesse haben.

Krieg bringt immer auch Söldner hervor. Deshalb kann man nicht hoffen, dass die, für die der Krieg zum Beruf wurde, ihre Waffen sofort niederlegen. Man kann nur hoffen, dass alle anderen sie irgendwann isolieren und ihnen damit ihre zerstörerische Kraft rauben.

Das allerdings kann nur gelingen, wenn die Verhandler von Minsk, also die Regierungen in Moskau und Kiew wie in Paris und Berlin ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie müssen in den kommenden Stunden und Tagen immer wieder beharrlich und unmissverständlich klar machen, dass sie die Entwicklungen genauestens beobachten, sich im Notfall jederzeit zusammenschließen und alle Versuche zurückweisen werden, mit denen einzelne Gruppen die Einigung von Minsk untergraben möchten.

Keine Zweifel an der Entschlossenheit

Natürlich wird es Frieden erst dann wirklich geben, wenn überall die Waffen schweigen. Aber genauso wichtig ist es, dass davor niemand mehr schweigt, wenn die Hoffnung auf Frieden durch einzelne torpediert wird.

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Staatschefs von Russland, der Ukraine und Frankreich, Wladimir Putin, Petro Poroschenko und François Hollande, bislang jeden Tag Kontakt halten, belegt immerhin, wie sehr sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Frieden zu schaffen in der Ukraine verlangt viel mehr als 16 Stunden über Formulierungen zu streiten. Es verlangt jetzt, da alles sehr fragil ist, dass das Quartett von Minsk keine Zweifel an seiner Entschlossenheit mehr zulässt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2354555
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/anri
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.