Fragestunde im Bundestag:Guttenbergs Quadratur des Kreises

Erstmals nimmt Guttenberg im Bundestag zur Plagiatsaffäre Stellung: Die Opposition kommt nicht richtig in Fahrt, Guttenberg hingegen antwortet akribisch genau - und bringt es fertig, sich zwei Mal als Vorbild hinzustellen.

Nico Fried

Ein Vorbild zu sein, sagt Karl-Theodor zu Guttenberg, das müsse man sich jeden Tag neu erarbeiten. Später wird der Verteidigungsminister ein bemerkenswertes Beispiel dafür geben, wie er nun speziell an diesem Mittwoch zu einem Vorbild werden möchte. Ein Beispiel, das vielleicht mehr aussagt über seine Persönlichkeit als all die anderen Antworten in dieser Fragestunde des Bundestages, der sich erstmals mit der Plagiatsaffäre befasst.

Bundestag - Guttenberg

Verteidigung in eigener Sache: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wehrt sich im Bundestag gegen die Plagiatsvorwürfe.

(Foto: dpa)

Doch der Weg zur parlamentarischen Aufarbeitung beginnt erst einmal auf einer Seitenstraße. Guttenberg ist noch gar nicht da, als die Opposition einige Fragen zum Briefkopf des Schreibens hat, in dem er die Uni Bayreuth um die Rücknahme seines Doktortitels gebeten hat. Die Bild-Zeitung hat das Schreiben als Faksimile abgedruckt. Zu sehen ist der Briefkopf des Verteidigungsministers, und insbesondere die Grünen möchten gern wissen, ob Guttenberg damit nicht sein Amt missbrauche, denn es handele sich ja um einen privaten Brief.

Es antwortet der Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), besser gesagt, er antwortet nicht, sondern sagt, er habe die Bild-Zeitung nicht so gründlich gelesen wie die Grünen. Allerdings gibt es auch im Kabinett über den Briefkopf Irritationen, immerhin hatte die Kanzlerin am Montag eine sehr strikte Trennung zwischen dem Doktor zu Guttenberg und dem Minister gleichen Namens vorgenommen. Aber das erzählt Klaeden natürlich nicht. Er weiß seine Rolle auf der Regierungsbank auszukosten, denn er weiß auch, wie es ist, sich da unten im Plenum abzumühen.

Vor genau zehn Jahren hat Klaeden als eine Art Chefankläger aus der damaligen Opposition heraus versucht, den früheren Steinewerfer Joschka Fischer als für das Amt des Außenministers nicht mehr tragbar zu überführen. Klaeden scheiterte, aber an die Auseinandersetzung erinnern sich noch viele - besonders viele dieser Tage in der Union, denn wenn einer wie Fischer damals Minister bleiben durfte, dann doch einer wie Guttenberg heute erst recht. Karl-Theodor zu Guttenberg selbst war übrigens vor zehn Jahren 29 und arbeitete an seiner Doktorarbeit. In welcher Form auch immer.

An diesem Mittwoch nun kommt er um 13:40 Uhr in den Plenarsaal, plaudert mit ein paar Staatssekretären und setzt sich dann in seinen fliederfarbenen Stuhl, der auf einer Schiene vorwärts und rückwärts fahrbar ist, nicht unpraktisch, wenn man nervös ist. Auf der Zuschauertribüne hat mittlerweile auch eine Gruppe junger Marinesoldaten Platz genommen. Um 14:07 Uhr stellt ein grüner Abgeordneter eine erste Frage, die sich um Guttenbergs Erklärung vor Fernsehkameras am vergangenen Freitag dreht, als der Minister den Doktortitel "vorübergehend" niederlegen wollte. Guttenberg antwortet mit einigem Recht, dass sie sich diese Frage mit seinem endgültigen Verzicht erledigt habe.

Überhaupt kommt die Opposition nicht recht in Fahrt, stellt lange Fragen, auf die Guttenberg meist kurz und prägnant antwortet. Die Grünen beharren darauf, Guttenberg als Dr. Guttenberg zu bezeichnen, woraus sie sich einen Spaß machen, aber eher lächerlich wirken. Zugleich wollen sie ja über ernsthafte Dinge reden. Zum Beispiel über das Signal, das Guttenberg mit seiner Doktorarbeit in die Wissenschaft hineinsende. Guttenberg antwortet, er habe "ein schlechtes Signal" gesendet, eines, das man nicht aufrechterhalten könne. Es ist die Haltung des Ministers für den Rest dieses Nachmittags: Sachlichkeit und Demut. Nur nicht wieder provozieren.

"Offensichtlich" überlastet

Es entwickelt sich ein Ritt durch all die Vorwürfe über Fußnoten und Zitate, über Erklärungen Guttenbergs und wie sie sich gewandelt haben, über Vorträge des Abgeordneten zu Guttenberg und wie sie in seine Dissertation gekommen sind. Guttenberg, der seine Arme meist stramm vor dem Oberkörper verschränkt, beantwortet manche Fragen akribisch genau mit Seitenzahl und Fußnotennummer und erlaubt sich zunächst nur einen kleinen Ausrutscher, als er berichtet, dass er sich am Wochenende "erstmalig mit der Arbeit befassen konnte". Gelächter in der Opposition. "Was die Vorwürfe betrifft", fügt er hinzu.

In einer ersten Reaktion hatte Guttenberg vor einer Woche von abstrusen Vorwürfen gesprochen. Interessanterweise bleibt er bei dieser Beurteilung. Sie habe sich auf den angeblichen Vorhalt bezogen, bei der Arbeit handele es sich um ein Plagiat. Dies aber setze voraus, so Guttenberg, "dass man bewusst oder vorsätzlich getäuscht haben soll". Und das habe er nicht. Dabei bleibt er. Der Jurist Guttenberg suggeriert, dass er weiß, wo die Grenze zum Rechtsbruch läge - und dass er sich ganz sicher ist, diese nicht überschritten haben. Das aber werden andere entscheiden.

Als Nächstes geht es um die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags und deren Expertisen. Sie stehen eigentlich nur Abgeordneten zur Verfügung, finden sich aber zum Teil wörtlich in der Arbeit wieder. Guttenbergs Version geht so: Die Arbeiten des Dienstes habe er schon vorher als Abgeordneter "intensiv" genutzt, vor allem für Vorträge als Abgeordneter des Auswärtigen Ausschusses. Der Bezug zum Mandat sei "ganz klar gegeben" gewesen. Und nur an zwei Stellen seien ihm "Fehler in der Fußnotenarbeit" unterlaufen.

Guttenberg berichtet davon, wie er all diese Fragen am Wochenende geprüft habe. Er erzählt von Bleistiftnotizen, die kaum noch lesbar gewesen seien. Mal sagt er "ich", mal sagt er "wir". Wer ihm da bei der Prüfung geholfen hat, sagt er nicht. Aber allmählich entsteht in der Vorstellung des Zuhörers das Bild des Freiherrn, der auf einem feuchten Dachboden zwischen muffeligen Kartons sitzt und verstaubte Ordner durchwühlt. Vielleicht zusammen mit seiner Frau.

Er habe sich natürlich auch gefragt, wie es zu diesen Fehlern kommen konnte. "Ich war sicher so hochmütig zu glauben, dass mir die Quadratur des Kreises gelingt", sagt Guttenberg: Die Verbindung der politischen und der wissenschaftlichen Arbeit und die Pflichten eines Familienvaters. Dies habe ihn "offensichtlich" überlastet, sagt der Minister, und jetzt sieht offenbar mancher Abgeordnete vor dem geistigen Auge, wie zwischen Wickeltisch und Kinderstühlchen der eine oder andere Quellennachweis im Windelsack verloren ging, jedenfalls raunt die Opposition ein mitleidiges "Ooooch". "Das ist kein Grund, in Häme übereinander herzufallen", sagt Guttenberg. Er gebe den Titel zurück, er habe sich entschuldigt - ja, und genau damit könnte er es gut sein lassen. Aber dann wäre Guttenberg nicht Guttenberg.

Es kommt noch die Frage nach der Vorbildfunktion von Politikern. "Sie sehen, dass ich den Folgen Rechnung getragen habe", sagt Guttenberg. "Ich glaube, es hätte der Glaubwürdigkeit mehr geschadet, wenn man sich nicht zu seinen Fehlern bekannt hätte." So ist er: Bei ihm überstrahlt der Wert der Entschuldigung stets den Schaden aus seinen Fehlern. Aber diesmal setzt "man", wie er gerne von sich selber sagt, noch einen drauf: Vielleicht, sagt der Minister, könne sein Verhalten jetzt sogar "beispielgebend" wirken für Menschen, die sich "in einer ähnlichen Situation" befinden.

In der aktuellen Stunde fordern anschließend SPD, Grüne und Linke Guttenbergs Rücktritt. Der sagt, er sei ein Mensch mit seinen Schwächen und seinen Fehlern. Er glaube aber, "dass wenn man sich dazu bekennt, das der politischen Landschaft nicht schaden muss." Und so kommt es, dass Karl-Theodor zu Guttenberg in seiner größten politischen Krise das Kunststück fertigbringt, sich einzureden, an diesem Mittwoch sogar zweimal ein Vorbild gewesen zu sein. Die Marinesoldaten wollen sich zu all dem übrigens nicht äußern.

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