Fragen und Antworten zur Rentenreform:Gesucht ist der Weg aus der Armutsfalle

Die Arbeitsministerin und die SPD sind sich einig: Das Altersgeld ist für viele Menschen zu niedrig. Doch sind von der Leyens Zuschussrente und SPD-Solidarrente miteinander vereinbar? Welche Rolle sollen in Zukunft private und betriebliche Altersvorsorge spielen? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Thomas Öchsner

Der Mann, dem die staatlich geförderte Riester-Rente ihren Namen zu verdanken hat, drängt jetzt auf die große, parteiübergreifende Lösung.

Rentner auf einer Parkbank

CDU-Politikerin Ursula von der Leyen will das Altersgeld für Rentner auf bis zu 850 Euro aufstocken - allerdings nur gegen Auflagen.

(Foto: dpa)

Einen solchen Kompromiss im Rentenstreit halte er für "sehr gut", sagt der frühere Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD). Das Altersgeld sei für viele Menschen zu niedrig. Er sei froh, dass die SPD jetzt in gleicher Weise wie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen aufzeige, "was Wahrheit ist".

Aber geht das so einfach? Sind die beiden Modelle - von der Leyens Zuschussrente hier, die SPD-Solidarrente dort - miteinander vereinbar? Wer kommt für die Kosten auf? Und welche Rolle sollen in Zukunft private und betriebliche Altersvorsorge spielen? Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was will Ministerin von der Leyen?

Die CDU-Politikerin will von 2013 an eine Zuschussrente für Geringverdiener einführen. Dabei wird das Altersgeld auf bis zu 850 Euro aufgestockt, wenn der Versicherte 30 (von 2023 an: 35) Jahre Beiträge gezahlt, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat. Geld obendrauf gibt es nach einer Übergangszeit aber nur, wenn privat oder betrieblich vorgesorgt wurde. Von 2019 an will von der Leyen die Zuschussrente nur auszahlen lassen, wenn fünf Jahre zusätzliche Altersvorsorge nachgewiesen sind. Wer dann in Ruhestand geht, müsste also spätestens 2014 mit dem Zusatzsparen beginnen. Diese Hürde wird schrittweise höher gelegt. 2049 sind 35 Jahre an Zusatzvorsorge für die Zuschussrente nötig.

Wie viele könnten davon profitieren?

Im ersten Jahr sind dies 25.000 Menschen, 2030 würden es nach Angaben des Arbeitsministeriums 1,4 Millionen sein. Die Kosten wachsen von zunächst einigen hundert Millionen auf 3,2 Milliarden Euro 2030.

Was sind die Hauptkritikpunkte?

Der Vorschlag hilft nur wenigen künftigen Rentnern; Langzeitarbeitslose haben zum Beispiel gar nichts davon. Die Opposition wirft der Arbeitsministerin auch vor, Versicherte quasi zu zwingen, zusätzlich vorzusorgen, obwohl viele Versicherer nur Riester-Renten-Verträge mit hohen Kosten und deshalb mageren Erträgen anbieten. Von der Leyen hält entgegen: Leistung müsse sich lohnen, und die Kosten für die private Vorsorge müssten künftig besser vergleichbar sein.

Wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Was ist noch umstritten?

Das Geld für die Zuschussrente stammt zum Teil von den Beitragszahlern. Kritiker halten den Kampf gegen die Altersarmut aber für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die alle aufkommen müssen, also die Steuerzahler - egal ob reich, arm, Angestellter, Beamter oder Selbständiger. Außerdem sehen sie ein Grundsatzprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt: Demnach richtet sich die Höhe der Ruhestandsbezüge nach den gezahlten Beiträgen. "Wer sich über Jahrzehnte eine Rente von 1000 Euro erworben hat, der schaut mit der Zuschussrente in die Röhre", sagt der junge CDU-Abgeordnete Jens Spahn.

Was plant die SPD?

Arbeitnehmer, die über längere Zeit wenig verdient haben, bekommen ihre Rente aufgewertet. Bleiben sie mit ihrem Alterseinkommen dennoch unter 850 Euro, erhalten sie die "Solidarrente" - aber nicht einfach so. Nachzuweisen sind dafür mindestens 40 Versicherungs- und 30 Beitragsjahre. Die Solidarrente liegt damit - wie von der Leyens Zuschussrente - etwa 160 Euro über dem Niveau der staatlichen Grundsicherung im Alter von durchschnittlich 688 Euro im Monat.

Wie will die SPD Langzeitarbeitslosen helfen?

Die SPD will Langzeitbezieher von Hartz IV bei der Rente besserstellen, sodass "niemand nur aus diesem Grund im Alter in die Bedürftigkeit rutscht". Das umzusetzen dürfte jedoch viele Milliarden verschlingen - nicht zuletzt deshalb hat von der Leyen das Problem bislang ausgespart.

Warum wollen die Sozialdemokraten die betriebliche Altersvorsorge stärken?

Die SPD hat erkannt: Bei der Riester-Rente zehren hohe Kosten einen Großteil der Förderung auf. Für die Versicherten springt deshalb zu wenig heraus, um - wie von den rot-grünen Reformern vor zehn Jahren gedacht - die Absenkung des Rentenniveaus von 51 auf 43 Prozent des Nettolohns im Jahr 2030 auszugleichen. Die betriebliche Altersvorsorge hält die Partei für effektiver. Daran könnten sich auch die Arbeitgeber über Tarifverträge beteiligen. Das SPD-Fördermodell sieht daher vor, dass jeder Arbeitnehmer bis zu sechs Prozent seines Bruttoeinkommens steuerbegünstigt in die Eigenvorsorge stecken kann. Vom Bruttogehalt sollen auf jeden Fall zwei Prozent in die Altersvorsorge fließen, wenn der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich widerspricht. Ob die Geringverdiener dabei mitmachen, ist fraglich: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wandelten 2010 nur 6,2 Prozent der Beschäftigten mit einem Niedriglohn einen Teil ihres Gehalts in staatlich geförderte Beiträge für eine zukünftige Betriebsrente um.

Was passiert bei den Erwerbsminderungsrenten?

Wer vorzeitig mit dem Arbeiten aufhören muss, erhält derzeit im Durchschnitt gerade einmal 634 Euro im Monat. Von der Leyen will die Ansprüche dieser Ruheständler verbessern. Das bringt ihnen im Schnitt 45 Euro mehr Rente, aber erst in knapp 20 Jahren. Alles andere hält die Ministerin offenbar für nicht finanzierbar. Die SPD will die Erwerbsminderungsrentner deutlich besserstellen. Kosten bis 2030: 7,7 Milliarden Euro im Jahr - finanziert aus höheren Beiträgen für die Rentenkasse.

Wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Vielen Solo-Selbständigen ohne Angestellte droht die Altersarmut. Sie sollen stärker vorsorgen. Von der Leyen möchte es dabei ihnen überlassen, wie sie das tun. Die SPD fordert dagegen: Alle Erwerbstätigen müssen in die Rentenversicherung einzahlen, sofern sie nicht über ein anderes System wie ein Versorgungswerk abgesichert sind. Beide Seiten machen sich auch für ein flexibleres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben stark. Von der Leyen und die Sozialdemokraten sprechen sich dafür aus, dass sich Arbeit und Rente in Zukunft besser miteinander kombinieren lassen - dagegen hat nicht einmal die FDP etwas.

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