Süddeutsche Zeitung

Fragen und Antworten:Hilfe zum Helfen

Was man tun kann, wenn man Zeit, Geld, ein paar Kleider oder Spielsachen übrig hat oder Flüchtlingen gar ein Zimmer oder einen Arbeitsplatz anbieten möchte.

Von Jan Bielicki und Anne Kostrzewa

Es kommen viele, aber es helfen auch viele. Seitdem Flüchtlinge in großer Zahl in Deutschland eintreffen, hat eine Welle der Hilfsbereitschaft das Land erfasst. Viele Organisationen, die sich der Flüchtlingsarbeit widmen, verzeichnen einen rapiden Zuwachs an ehrenamtlichen Helfern, in den vergangenen drei Jahren um 74 Prozent, wie eine Studie der Berliner Humboldt-Universität feststellt. Mancherorts wird es bereits zum Problem, die Sachspenden zu sortieren und die Freiwilligen richtig zu beschäftigen. Wie also kann Flüchtlingen sinnvoll geholfen werden?

Ich möchte mich engagieren. Wie und wo geht das?

Ehrenamtliche Hilfe wird überall gebraucht, wo Flüchtlinge leben. Anlaufstellen sind Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbände wie Diakonie und Caritas, das Rote Kreuz sowie Vereine und Initiativen im Wohnort. Dort bekommen Interessierte einen ersten Überblick, wie sie sich engagieren können. In manchen Städten sind auch schon Migrationsberatungsstellen oder kommunale Koordinierungsbüros eingerichtet, die einen Überblick über geeignete Verbände und Gruppen geben können. Eine Liste mit Fachberatungsstellen haben auch die Flüchtlingsräte der einzelnen Bundesländer, abrufbar unter www.fluechtlingsrat.de.

Welches Ehrenamt passt zu mir?

Es gibt viele Möglichkeiten, sich ehrenamtlich für Flüchtlinge einzusetzen. Zunächst muss man sich die Frage beantworten, wie viel Zeit man investieren kann und ob man für die Flüchtlinge ein direkter Ansprechpartner sein möchte oder lieber organisatorisch aktiv sein will. "Vom ersten Tag an sollten Unterstützer sich Gedanken über ihre eigenen Grenzen machen", sagt Andrea Dallek vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. "Durch den direkten Kontakt geht man mit der Einzelfallarbeit eine Verpflichtung ein, weil man für die Menschen zu einem Ansprechpartner, einer Vertrauensperson wird." Wer sich für die Einzelfallhilfe entscheidet, sollte deshalb vorab für sich selbst klare Strukturen festlegen und den Flüchtlingen dann auch sagen, wann man für sie da sein kann - und wann nicht.

Welche Möglichkeiten habe ich?

Viele! Es muss nicht gleich ein organisierter Deutschkurs oder ein regelmäßiges Freizeitprogramm für Kinder sein. Auch eine Begleitung beim Einkaufen, ein Ausflug zum Schlittschuhlaufen oder ein Grillfest im Park können Flüchtlingen helfen, ihre neue Heimat besser kennenzulernen. In Kleiderkammern oder Erstaufnahmeeinrichtungen werden auch immer wieder Helfer gebraucht, die Sachspenden sortieren. In ländlichen Regionen sind Mitfahrgelegenheiten für Flüchtlinge hilfreich. Wer mehr Zeit hat, kann sich in einigen Gemeinden als Willkommens-Pate für einen Flüchtling oder eine Familie engagieren. Paten werden für Flüchtlinge zu Bezugspersonen, sie helfen ihnen, sich im Ort einzuleben, begleiten sie bei Behördengängen und unternehmen gemeinsame Ausflüge. Städtische Koordinierungsstellen, Verbände und Flüchtlingsräte können für Freiwillige je nach Interessen und Zeitrahmen geeignete Kontakte herstellen.

Muss ich mich zum Flüchtlingshelfer ausbilden lassen?

Nein. Wer sich für Flüchtlinge einsetzen möchte, sollte vor allem Spaß am Umgang mit Menschen haben und für fremde Kulturen und Mentalitäten offen sein. Verbände und Vereine bieten Interessierten aber meist Vorgespräche an, um Interessen auszuloten und zeitliche Vorstellungen abzufragen. Auch Basisschulungen gehören bei vielen zum Programm. Helfer lernen dabei zum Beispiel, wie sie mit Traumatisierten umgehen und welche Themen in anderen Kulturkreisen für Konfliktpotenzial sorgen könnten. Fühlen sich Ehrenamtliche mit ihrer Tätigkeit überfordert, können sie direkt bei den Verbänden oder auch beim zuständigen Flüchtlingsrat Hilfe bekommen. Diese Stellen vermitteln auch bei Konflikten innerhalb der Helfergruppen oder mit den Flüchtlingen.

Ich möchte etwas spenden. Wie erfahre ich, was gebraucht wird?

Lebensmittel- und Sachspenden werden ebenso dringend benötigt wie helfende Hände. Doch nicht alles, was man selbst ausrangiert, können Flüchtlinge sinnvoll verwenden. Es lohnt sich deshalb, bei den Erstaufnahmeeinrichtungen, in Kleiderkammern oder bei städtischen Tafeln nachzufragen, wo gerade Bedarf besteht. Viele Vereine stellen auch Listen auf ihre Homepage oder in soziale Netzwerke, auf denen genau dokumentiert ist, was sie gerade brauchen. In einzelnen Städten wird der Bedarf an Sachspenden schon zentral im Internet koordiniert, zum Beispiel in Kiel. In anderen Städten bieten private Gruppen im Netz Hilfe bei der Koordination an, so etwa in Dresden (afeefa.de; ichhelfe.jetzt).

Ist eine Geldspende sinnvoll?

Wer generell helfen möchte, kann an Wohlfahrts- oder Flüchtlingsverbände spenden. Diese setzten Geld ein, wo es gebraucht wird. Soll das Geld in ein bestimmtes Projekt fließen, ist es sinnvoller, es direkt an örtliche Vereine oder Initiativen zu geben. Einzelnen Flüchtlingen Geldbeträge zu schenken, könne problematisch sein, weil man den Verdacht der Schwarzarbeit erwecken könne, sagt Andrea Dallek vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Für Flüchtlinge gälten zudem ähnliche Regeln wie für Hartz-IV-Empfänger: Geht das Vermögen über eine bestimmte Summe hinaus, gibt es keine staatlichen Hilfen mehr. "Wer große Geldbeträge verschenkt, unterstützt unter Umständen also nicht den einzelnen Flüchtling, sondern den deutschen Staat", so Dallek.

Kann ich minderjährige Flüchtlinge in meiner Familie aufnehmen?

2014 kamen etwa 4400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland, die meisten von ihnen junge Burschen im Alter von 16 oder 17 Jahren. Wer minderjährige Flüchtlinge aufnimmt, trägt enorm viel Verantwortung. Entsprechend aufwendig ist das Ausleseverfahren, das künftige Pflegeeltern bei Jugendämtern zu durchlaufen haben, bevor sie als geeignet angesehen werden. Informationen geben die Jugendämter der Städte und Gemeinden.

Kann ich Flüchtlinge privat in einer Wohnung aufnehmen?

Grundsätzlich ja, aber nicht jeden. Asylbewerber müssen zunächst in der Aufnahmeeinrichtung des Landes wohnen, bis sie auf die Kommunen verteilt werden. Auch dann sieht das Gesetz bis zum Ende des Asylverfahrens "in der Regel" die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor. Wer in eine Privatwohnung ziehen will, braucht dazu die Genehmigung der Ausländerbehörde. Anerkannte Flüchtlinge dürfen sich eine Wohnung mieten, stehen aber in der Schlange der Mietinteressenten oft ganz hinten. Wer Wohnraum für Flüchtlinge anbieten will, wendet sich am besten an die zuständige Behörde, meist das Wohnungs- oder Sozialamt in der Stadt und im Landkreis. Das Amt prüft, ob der Wohnraum geeignet ist, es übernimmt bis zu einer bestimmten Höhe auch die Miete. Beratung gibt es auch bei Hilfsorganisationen wie "Flüchtlinge Willkommen". Auch einzelne Zimmer lassen sich an Flüchtlinge vermieten - allerdings bringen Wohngemeinschaften mit Flüchtlingen "besondere Herausforderungen" mit sich, warnt die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl in einem Leitfaden "Flüchtlinge privat aufnehmen - wie geht das?", abzurufen unter www.proasyl.de.

Darf ich einen Flüchtling in meiner Firma beschäftigen?

Anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis können jede Stelle annehmen. Asylbewerber dürfen in den ersten drei Monaten ihres Verfahrens nicht arbeiten, in den nächsten 15 Monaten dürfen sie eine Arbeitsstelle nur antreten, wenn die Ausländerbehörde zustimmt, und die stimmt nur zu, wenn nicht ein Deutscher oder arbeitsberechtigter Ausländer den Job übernehmen könnte. Auch abgelehnte, hier nur geduldete Asylbewerber benötigen diese Zustimmung. Diese Vorrangprüfung der Agentur für Arbeit entfällt, wenn es um Berufe geht, in denen Fachkräfte dringend gesucht werden. Das gilt auch für Flüchtlinge, deren abgeschlossene Ausbildung in Deutschland anerkannt ist. Mehr Informationen erhalten Arbeitgeber bei ihren Kammern und Berufsverbänden sowie bei der Bundesagentur für Arbeit, die in einigen Regionen spezielle Programme für arbeitsuchende Flüchtlinge entwickelt hat.

Wie sieht es bei Ausbildungsplätzen und Praktika aus?

Junge Asylsuchende dürfen seit wenigen Wochen bis zu dreimonatige Praktika machen, ohne dass sie dafür eine Genehmigung brauchen. Sie dürfen inzwischen auch eine Lehre anfangen. Flüchtlingen, die noch keine 21 Jahre alt sind, kann die Ausländerbehörde bei fortdauernder Ausbildung auch erlauben, mit einer Duldung in Deutschland zu bleiben - selbst wenn sie nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Auch hierzu bieten Kammern, Berufsverbände und die Agentur für Arbeit Hilfe und Beratung an.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2015
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