Österreich-Wahl:Schwer getroffen - Unruhe in der FPÖ

  • Das Entsetzen bei der FPÖ ist nach ersten Hochrechnungen groß.
  • Die Freiheitlichen erreichen dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge nur 17,3 Prozent der Stimmen.
  • Von mehreren Seiten war von "Aufräumen" nach der Wahl die Rede, FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky ruft seine Partei bereits zu einer Wähler-Rückholaktion auf.

Von Oliver Das Gupta, Wien

Sie waren vorgewarnt. Dass die Freiheitlichen an Stimmen einbüßen würden, hatten sie erwartet. Selbst dass die Verluste größer würden als noch vor wenigen Tagen angenommen, hatten sie irgendwie eingepreist. Schon seit ein paar Tagen rechnete man bei der FPÖ damit, dass das Ergebnis knapp unter der 20-Prozent-Marke liegen dürfte - nach den sensationellen 25,97 Prozent, die sie bei der Nationalratswahl 2017 eingefahren hatten, und die sie in die Regierungskoalition mit der ÖVP getragen hatten. Allerdings weniger als 18 oder 19 Prozent? Nach den ersten Hochrechnungen, ist das Entsetzen groß. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge kommt die FPÖ nur auf 17,3 Prozent der Wählerstimmen.

Schon ruft FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky seine Partei dazu auf, eine Wähler-Rückholaktion zu starten. Man müsse nach der Ibiza-Affäre das verspielte Vertrauen zurückgewinnen. Vilimsky sieht in dem schwachen Wahlergebnis alles andere als einen Auftrag für eine Neuauflage der Koalition mit der ÖVP. "Wir müssen uns neu aufstellen", sagt er.

In der FPÖ geht man davon aus, dass man vor allem an die ÖVP Stimmen verloren hat. Inhaltlich sieht man große Schnittmengen im politischen Angebot von Freiheitlichen und dem ehemaligen Regierungspartner. Vom Umstieg vieler Wähler ist die Rede, mit Blick auf die parteiinternen Turbulenzen der letzten Tage auch von Demobilisierung. Will sagen: Viele Wähler von 2017 seien diesmal schlicht zu Hause geblieben.

In der vergangenen Woche waren neue Vorwürfe gegen den langjährigen Parteichef Heinz-Christian Strache laut geworden. Von einem Mietzuschuss auf Parteikosten ist die Rede, von einem üppigen Spesenkonto, von einer Sporttasche voller Bargeld. Dazu von einer bemerkenswert hohen Bezahlung, die seine Frau angeblich für ihre politischen Tätigkeiten erhalten habe. Es sind heftige Vorwürfe.

Der neue Vorsitzende kommt nicht so recht an bei der Basis

Zusätzliche Irritationen bei FPÖ-Funktionären und der Anhängerschaft lösten Berichte im Wiener Boulevardmedium Österreich aus, wonach sich angeblich auch andere Parteikader an internen Geldern bedient hätten. Dem neuen Parteichef Norbert Hofer etwa wurde vorgehalten, dass ein Gartenzaun aus der FPÖ-Kasse bezahlt worden sei. In der FPÖ gehen manche davon aus, dass Strache mit diesen Berichten zu tun hat, da ein von ihm besonders geschätzter Journalist nun in leitender Funktion bei Österreich arbeitet.

Am Freitag herrschte noch Zuversicht

Strache war am 18. Mai von allen Funktionen in Staat und Partei zurückgetreten, eine Konsequenz der Enthüllungen von Süddeutscher Zeitung und Spiegel in der Ibiza-Affäre. Auf den Videoaufnahmen ist Straches Offenheit für dubiose Deals und mutmaßlich illegale Parteispenden dokumentiert. Kurz nach Straches Rückzug zerbrach die Koalition aus ÖVP und FPÖ. Noch am Freitagabend, beim Wahlkampfabschluss am Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten, hatten sich die Parteioberen zuversichtlich gegeben. Der langjährige FPÖ-Stratege und inoffizielle Co-Parteilenker Herbert Kickl sprach davon, dass man nun die Gegner in die "Pfanne hauen" werde.

Der Rundumschlag in Worten endete mit der Aufforderung, am Wahlsonntag mit Stimmen für die FPÖ den anderen Parteien einen "Schlag gegen das Hosentürl" zu verpassen. Vielen Zuhörern gefielen die Parolen sehr. Wie gut Kickl bei der Basis ankommt, wurde deutlich, als schließlich der vor zwei Wochen inthronisierte Parteichef Hofer seine Ansprache begann: Der Geräuschpegel wurde größer, der Applaus spärlicher. Die ersten Zuhörer gingen, es waren ohnehin nicht so viele da wie sonst. In den Medien war von 800 Menschen die Rede, ein Polizist schätzte, dass es nur etwas mehr als 500 waren.

Es heißt, Straches politische Karriere sei zu Ende

Vor einiger Zeit war man in der FPÖ noch davon ausgegangen, gute Chancen zu haben auf eine Neuauflage mit einem Kanzler Sebastian Kurz und seiner ÖVP. Aber in den letzten Tagen, angesichts der jüngsten Vorwürfe rund um Parteispesen, war der Optimismus zusehends in sich zusammengefallen. Selbst am Rande der Abschlussveranstaltung war dieser neue Pessimismus zu spüren. Hilmar Kabas, der die FPÖ eine kurze Zeit führte, ehe er den Vorsitz an Strache übergab, sagte der SZ, dass die Vorwürfe um Strache und Hofer "Unruhe" in die Partei gebracht hätten.

FPÖ-intern hatte man die vergangenen Wochen mit wachsendem Unverständnis auf den medialen Mitteilungsdrang Straches reagiert. Die Geduld mit dem ehemaligen Parteichef war allerdings groß, immer wieder verwiesen Freiheitliche auf seine Verdienste. Angesichts der jüngsten Vorwürfe war dann allerdings sogar von einem möglichen Parteiausschluss die Rede. Es hieß, Straches politische Karriere sei zu Ende - egal ob er seine Mitgliedschaft verliere oder nicht.

Bei der Wien-Wahl 2020 solle er auf keinen Fall antreten, darin scheint es mittlerweile Konsens zu geben. Von mehreren Seiten war von "Aufräumen" nach der Wahl die Rede. Am Dienstag soll es in Wien eine Sitzung zu Straches Zukunft geben. Vor der Wahl hatte es aus der FPÖ geheißen, in der Causa Strache werde vorher nichts passieren. Nun, angesichts des aus FPÖ-Sicht schlimmen Wahlergebnisses, könnte es dann doch schneller gehen.

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